Vermischtes
Newsroom – Marc Bartl

Zeitungsberichte ähneln zunehmend den Pressemitteilungen der AfD, sagt zumindest ein Medienforscher

Zeitungsberichte ähneln zunehmend den Pressemitteilungen der AfD, sagt zumindest ein Medienforscher Thomas Hestermann (Foto: Hochschule Macromedia)

Thomas Hestermann forscht zur Gewaltberichterstattung in deutschen Medien. Sein aktuelles Interview in Zeit Online wird viel beachtet. Darin sagt Hestermann auch, dass die AfD die deutsche Presse korrumpiert habe – und er macht den Journalisten einen Vorschlag.

Berlin – 2018 haben Thomas Hestermann und seine Leipziger Kollegin Elisa Hoven systematisch untersucht, welches Bild von Kriminalität in Deutschland die AfD produziert. Dafür haben sie die Pressemitteilungen analysiert, die deren Bundesverband, Landesverbände, Bundestagsfraktion und die Landtagsfraktionen herausgeben. Dabei stellten sie fest, dass in 95 Prozent der Fälle, in denen die Herkunft eines Tatverdächtigen erwähnt wurde, dies ein Ausländer war.

 

Im Interview mit Anant Agarwala bei Zeit Online nimmt Hestermann darauf Bezug: Das Ergebnis möge bei der AfD wenig überraschen. „Das Verblüffende aber war: Für die Zeitungsberichte im Vergleichszeitraum galt quasi dasselbe, dort waren 93,5 Prozent der Tatverdächtigen, bei denen die Herkunft erwähnt wurde, Ausländer.“ Die deutschen Leitmedien ordneten Gewaltkriminalität also nahezu genauso ein wie die AfD.  Selbst wenn es stimmen sollte, dass überproportional viele Journalisten die SPD oder die Grünen wählten, berichteten Medien über Gewalt eher nach den Deutungsmustern der AfD, betont Hestermann bei Zeit Online. 

 

Die Forschungsergebnisse zeigten: Der Journalismus habe sich von der AfD treiben lassen. Der Druck auf Redaktionen sei enorm. Vor allem der von rechts erhobene Vorwurf, dass Journalisten „die Wahrheit“ verschweigen, habe seine Spuren hinterlassen. „Hieße es ‚Schon wieder hat ein Katholik seine Frau umgebracht‘, da würde man zu Recht fragen, was ist denn das für eine merkwürdige Überschrift? ‚Schon wieder ein Syrer‘ erscheint hingegen völlig normal“, erklärt Thomas Hestermann im Gespräch mit Anant Agarwala. Dabei könnten weder Religion noch Nationalität einen Mord erklären. Sobald die Herkunft nicht genannt werde, wirke das heute auf manche wie eine klaffende Lücke, wie ein bewusstes Verschweigen. Aus kriminologischer Sicht sei die Nationalität hingegen völlig unerheblich. „Kein Mensch begeht Verbrechen, weil er Deutscher ist oder Türke oder Afghane.“

 

„Das Gelingende bleibt viel zu oft unsichtbar“

Der Wissenschaftler findet den Journalismus in dieser Hinsicht schlicht unprofessionell. Es gehe nicht darum, etwas zu verschweigen, sondern die Verhältnismäßigkeit zu wahren. Angst sei ein einträgliches Geschäft, sie generiere Klicks, Kommentare, Wählerstimmen. Aber nur negative Emotionen zu bedienen, vergifte die Gesellschaft, meint Hestermann.

 

Er macht der hiesigen Presse auch einen Vorschlag: „Jeder siebte Handwerker in Deutschland stammt aus anderen Ländern, noch höher ist der Anteil in der Pflege. Wir sehen in unserer Hochschule, wie viele junge Leute mit Einwanderungsgeschichte ihr Studium abschließen. Warum zeigen Medien nicht stärker, was gelingt? Das Gelingende bleibt viel zu oft unsichtbar.“