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Wirtschaftsjournalismus: „Es gibt Jobchancen zuhauf“

Wirtschaftsjournalismus: „Es gibt Jobchancen zuhauf“ Ulric Papendick (Foto: KJS)

Der Leiter der Kölner Journalistenschule, Ulric Papendick, erklärt, was die junge Generation auszeichnet, was ihr fehlt und warum es wichtig ist, zwischen Aktivismus und Journalismus zu unterscheiden.

Köln – Die Kölner Journalistenschule gehört zu den wichtigsten Brutstätten für den deutschen Wirtschaftsjournalismus. Ulric Papendick leitet die Schule seit fast einer Dekade. Im Interview mit Roland Karle für die „Wirtschaftsjournalist:in“ sagt er, was die junge Generation auszeichnet und was ihr fehlt, wie Talente zu Spitzenkräften werden und warum es mitunter nötig ist, den Unterschied zwischen Aktivismus und Journalismus klarzumachen. Ein Auszug:

 

Sie leiten seit fast zehn Jahren die Kölner Journalistenschule für Politik und Wirtschaft. Was hat sich in der Ausbildung am stärksten verändert? 
Ulric Papendick: Sicher der Anteil, den die Vorbereitung auf neue, vor allem digitale Medien heute einnimmt. Damit verändert sich zum einen die Art, wie Themen präsentiert und Geschichten erzählt werden, zum Beispiel in einem längeren Podcast oder über animierte Grafiken. Dabei kommen ständig neue Plattformen und Erzählweisen hinzu – es ist mehr denn je ein lebenslanges Lernen. Zum anderen wird es für junge Journalisten wichtiger, sich selbst zu vermarkten, etwa wenn sie in sozialen Medien über ihre Arbeit berichten. All das spiegelt sich natürlich auch in der Ausbildung wider. 
 
Wenn Sie sich mal anschauen, wer heute an der KJS studiert und wer 2015 dabei war – wie unterscheiden sich die Persönlichkeiten?
Einen signifikanten Unterschied sehe ich nicht. Allerdings gibt es einen gewissen Trend, dass junge Menschen sich heute noch mehr gesellschaftlich einbringen wollen als vielleicht vor zehn Jahren. Die politischen Umbrüche, der Rechtsruck, all das führt dazu, dass sich junge Leute engagieren wollen. Für die Ausbildung bringt das die Herausforderung mit sich, den angehenden Kolleginnen und Kollegen den Unterschied zwischen Aktivismus und Journalismus klarzumachen.
 
Ist das anstrengend? 
Sagen wir so: Es gibt immer mal wieder Diskussionen darüber. Die eigene Meinung kann niemand ausschalten, aber gerade wir Journalisten sind gehalten, Themen unvoreingenommen von allen Seiten zu beleuchten. Es geht darum, allen Argumenten Raum zu geben. Bei manchen ist es nötig, das Bewusstsein dafür zu schärfen.
 
Was zeichnet die junge Generation am stärksten aus?
Ich denke, sie ist selbstbewusster als frühere Generationen und nimmt zum Beispiel Arbeitsbedingungen nicht einfach hin, sondern hinterfragt sie. Wir haben es in der Regel mit guten Teamplayer zu tun, die emphatisch sind und denen es wichtig ist, zumindest den meisten, die Meinungen anderer zu respektieren. Das verändert die Diskussionskultur und kann bei größeren Gruppenprojekten zu besseren Ergebnissen führen. Allerdings bemerkt man auch immer wieder mal im Ansatz das, was gemeinhin als Cancel Culture bezeichnet wird. Nicht jeder junge Mensch ist bereit, sich mit Meinungen auseinanderzusetzen, die sie oder er für unangebracht hält.

 



Was macht aus einem Talent im Wirtschaftsjournalismus eine Spitzenkraft? 
Es gibt verschiedene Talente, die aus vielversprechenden Nachwuchsleuten echte Spitzenkräfte machen können. Akribie, Hartnäckigkeit und eine gute Intuition bei der Recherche, eine besondere Schreibe, ein Talent, sich vor der Kamera oder in sozialen Medien zu präsentieren – all das kann den Ausschlag geben. Und Ehrgeiz natürlich, der Wille, an die Spitze zu gelangen, zu führen. Gerade in der jungen Generation ist das für viele nicht das, was sie sich vorstellen.  
 
Ist Spezialisierung wichtiger geworden? 
Es ist auf jeden Fall sehr hilfreich. Nach wie vor gibt es Themenfelder, etwa die Finanzberichterstattung, wo herausragende Kenntnisse ein entscheidendes Plus auf dem Arbeitsmarkt sein können. Und ein besonderes Erzähltalent zu haben, ist sicherlich heute noch mehr von Vorteil als vor einigen Jahren. 
 
Welche Top-Leute in den Wirtschaftsmedien sind Benchmark für den Nachwuchs? 
Anette Dowideit fällt mir sofort ein. Schon in ihrer Zeit als Leiterin des Investigativ-Teams der „Welt“, aber noch mehr seit ihrem Wechsel zu Correctiv hat sie unsere Studierenden durch ihre Hartnäckigkeit und ihren Biss sehr beeindruckt. Patrick Bernau von der „FAS“ ist mit seiner ruhigen, sicheren Art, seinem enormen Wissen und seiner Argumentationskraft sicher auch ein Vorbild. Ebenso haben Lukas Zdrzalek von der „Wirtschaftswoche“ und Nils Heck für die „SZ“ bei unseren Studierenden mit ihrer Zielstrebigkeit und ihrem erkennbaren Bestreben, immer weiter zu bohren und nachzufragen, zuletzt einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Viele unserer Studierenden bewundern zudem Ursula Weidenfeld für ihre ungemein souveräne Art, Debatten zu führen oder zu moderieren.


 
Wie sind aktuell die Jobchancen für junge Wirtschafts- und Fachjournalisten?
Von der schwierigen wirtschaftlichen Lage bleiben die Medien und mit ihnen der Arbeitsmarkt für junge Journalisten nicht verschont. Aber Jobchancen gibt es nach wie vor zuhauf, gerade für junge Journalistinnen mit Wirtschaftskompetenz. Wer sich auf das Thema Finanzen spezialisiert, kann sich nach meinem Eindruck auch heute noch den Arbeitgeber aussuchen. 
 
Wirtschaftsjournalismus war lange Zeit eine Männerdomäne, das hat sich geändert. Was sind die Gründe? 
Insgesamt interessieren sich heute mehr Frauen für den Beruf der Journalistin, auch im Bereich Wirtschaft. Wir haben das an unserer Schule einmal überprüft: In den ersten Jahrzehnten nach unserer Gründung im Jahr 1968 lag der Anteil der Frauen in unseren Jahrgängen meist bei etwa 30 Prozent. Seitdem ist er kontinuierlich gestiegen, auf heute circa 60 Prozent. Über die Ursachen kann man viel spekulieren. Als ein Grund wird manchmal genannt, dass junge Frauen bei der Berufswahl weniger auf die Karriere- und Verdienstchancen schauen würden als junge Männer. Aber ob das wirklich zutrifft, vermag ich nicht zu sagen.   

Tun mehr Frauen dem Wirtschaftsjournalismus gut? 
Absolut. Die weibliche Perspektive fördert die Vielfalt im Wirtschaftsjournalismus und sorgt wahrscheinlich auch dafür, dass sich mehr Menschen für dieses Themenfeld interessieren.   
 
Jenseits von oberflächlichen Gender-Betrachtungen: Sind Wirtschaftsredaktionen heute vielseitig und vielfältig genug aufgestellt? 
Es tut dem Journalismus gut, wenn Redaktionen so besetzt sind, dass Menschen mit verschiedenen sozialen und kulturellen Hintergründen möglichst unterschiedliche Blickwinkel und Perspektiven einnehmen. Ich glaube, da ist noch Luft nach oben.

Zum ganzen Interview und den Schwerpunkt zum Nachwuchs in den Wirtschaftsredaktionen.