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Warum war die ARD-Doku über Medienanwalt Christian Schertz so einseitig?

Warum war die ARD-Doku über Medienanwalt Christian Schertz so einseitig? Christian Schertz (Foto: privat)

Dieser Frage geht „kress pro“-Chefredakteur Markus Wiegand in seiner neuen Kolumne nach - und findet dabei schwammige und schwache Antworten beim zuständigen Hessischen Rundfunk.

Berlin –  Der Film über Medienanwalt Christian Schertz war nach der Ausstrahlung in der ARD das Klatsch- und Tratschthema in der Branche. Der Name Schertz polarisiert und garantiert hohe Reichweiten, schreibt „kress pro“-Chefredakteur Markus Wiegand. Auch beim Gesamtpublikum erreichte die Doku „Der Star-Anwalt“ auf dem linearen Sendeplatz am späten Abend Mitte Mai mit 1,15 Millionen Zuschauerinnen und Zuschauern und einer Quote von 9,6 Prozent eine ordentliche Resonanz. Nach ARD-Angaben erzielte man in den drei Wochen danach zudem 400.000 Wiedergaben in der ARD Mediathek.

In der Branche kam der Film mittelmäßig an. Hauptschwachpunkt: Schertz-Fans wie Jauch kamen recht ausführlich zu Wort. Kritiker oder differenzierte Stimmen (wie „Übermedien“-Chef Stefan Niggemeier) nur wenig.

 

Wir haben die Autorin Nora Binder über Linkedin gefragt, ob es wirklich so schwierig war, Kritiker des Anwalts vor die Kamera zu bekommen. Die TV-Journalistin antwortete ausführlich, um dann aber zu untersagen, daraus zu zitieren. Man möge sich doch an den Hessischen Rundfunk (hr) wenden.

 

Auf dem öffentlich-rechtlichen Dienstweg wurde uns mitgeteilt, dass „Journalistinnen und Journalisten im zweistelligen Bereich angefragt wurden, von denen sich die meisten nicht für ein Interview bereit erklärt haben“.

 

Die schwammige Antwort lässt vermuten, dass der Ehrgeiz möglicherweise nicht sehr ausgeprägt war, tatsächlich Kritiker zu finden. Ein sehr einfacher Zugang wäre nämlich gewesen, das „Manager Magazin“ anzufragen, das sich 2021 eine süffige Auseinandersetzung mit Schertz lieferte, weil es über ihn berichtet hatte. Zudem hat der Medienanwalt häufiger Mandanten gegen das Magazin vertreten. Nach Auskunft des hr wurde das „Manager Magazin“ allerdings nicht angefragt, „da diese Fälle aus redaktioneller Sicht nicht von Relevanz für die Doku sind“.

 

Einerseits soll es schwierig gewesen sein, Kritiker vor die Kamera zu bekommen. Andererseits hat man aber naheliegende Protagonisten gar nicht erst gefragt. Das ist handwerklich schwach.

 

Und das gilt auch für einen weiteren Punkt, bei dem die Tiefenschärfe fehlt. Die Doku präsentiert Schertz im Reichelt-Skandal als Kämpfer auf der richtigen Seite. Es fehlt aber der Hinweis, dass der Anwalt dabei eine Frau vertreten hat, die in einem US-Verfahren gegen Springer und Reichelt Vorwürfe erhoben hat, die sich später durch Chatprotokolle als zweifelhaft herausgestellt haben. Die Frau war eine wichtige Belastungsquelle für die Berichterstattung des „Spiegel“ in der Reichelt-Affäre. Der Kommentar des hr zu dem Schwachpunkt: „Die Doku hat den Fall Reichelt nicht direkt behandelt.“ Na dann.

 

Die Top-Themen im neuen „kress pro“:

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