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Warum Miriam Meckel „keinen einzigen LinkedIn-Post mit ChatGPT“ schreibt

Warum Miriam Meckel „keinen einzigen LinkedIn-Post mit ChatGPT“ schreibt Miriram Meckel (Foto: Ada)

Die KI-Expertin über die neue Co-Kreation zwischen Mensch und Maschine und gute Kommunikation im KI-Zeitalter.

St. Gallen – Miriam Meckel  spricht im „PR-Report“-Interview über die neue Co-Kreation zwischen Mensch und Maschine und gute Kommunikation im KI-Zeitalter – zudem ist die Gründerin, Publizistin und Professorin der Meinung, dass sich PR und Kommunikation neu erfinden muss.

 

In Ihrem Buch „Alles überall auf einmal“ schreiben Sie, dass generative KI uns vor die Frage stelle, „was es bedeutet, Mensch zu sein“. Sind Kommunikationsprofis besonders herausgefordert?
Miriam Meckel: Ja, weil bisherige Technologien nicht den Kern von Kreativarbeit angetastet haben, also etwas, das wir Menschen als unser besonderes Merkmal wahrnehmen. Dass wir schreiben und Musik komponieren können beispielsweise. Plötzlich kann KI das auch. Ein Schockmoment für viele in der PR und im Journalismus. Viele fühlen sich in ihrer innersten Kompetenz angegriffen. Indes: Ich glaube überhaupt nicht, dass Menschen ersetzt werden. Stattdessen werden Menschen und Maschinen sich gegenseitig ergänzen. Das ist ein Lernprozess, es ist wie eine neue Sprache zu lernen. Wenn man das hinkriegt, können ganz tolle Sachen entstehen.

 

Zum Beispiel?
Eins meiner Lieblingsbeispiele für die Co-Kreation von Mensch und KI kommt von dem Fotografen Boris Eldagsen. Er schuf mit KI ein Bild, reichte es bei einem renommierten Fotografiepreis ein und gewann. Er hat den Preis dann nicht angenommen. Ihm ging es darum, eine Debatte über die Rolle von KI im künstlerischen Schaffensprozess auszulösen. Sein Bild war nicht allein sein Werk, aber auch nicht allein KI-generiert. Es ist das Ergebnis eines Prozesses vieler aufeinander aufbauender Arbeitsschritte, bei denen mal Eldagsen, mal die KI den größeren Anteil hat. Er nennt dieses Zusammenspiel von Mensch und Maschine nicht Fotografie, sondern Promptografie. Eine neue Kunstform. In allen Arten von Kommunikation wird es neue Formate geben, wenn wir uns darauf einlassen, diese Kombination von menschlicher und künstlicher Kreativität freizusetzen.

 

In den vergangenen Monaten sorgte Klarna für Gesprächsstoff in der Branche. Das Unternehmen will Medienberichten zufolge durch KI ein Viertel seines Marketingbudgets einsparen, insgesamt vier Millionen Dollar. Das soll stark Social-Media-Agenturen treffen, aber auch intern seien Jobs weggefallen. Sie äußern sich insgesamt sehr optimistisch, der KI-Zug könnte indes auch in eine andere Richtung fahren.
Das ist richtig. Aber über die Richtung entscheiden wir Menschen, nicht die KI. Es kommt darauf an, was mit den potenziellen Produktivitätsgewinnen geschieht. Werden sie investiert, um besser arbeiten zu können, um Kommunikation kreativer und weniger standardisiert zu gestalten? Oder werden viele Unternehmen ratzfatz menschliche Arbeit durch KI ersetzen, den Profit hochtreiben und abkassieren? Der Blick in die Vergangenheit, beispielsweise auf die Weber-Aufstände und die Ludditen-Bewegung, zeigt, dass die Menschen damals nicht gegen Technologie auf die Barrikaden gegangen sind, sondern gegen den Einsatz der Technologie ohne Rücksicht auf die Bedürfnisse und sozialen Lebensverhältnisse der Arbeiterinnen und Arbeiter.

 

KI werde „95 Prozent“ der Aufgaben übernehmen, die im Marketing heute Agenturen, Strategen und Kreativprofis erledigen, und zwar nahezu kostenlos. Das hat Open-AI-Chef Sam Altman gesagt. Wenn ich Ihnen folge, ist das keine reine Eigen-PR, sondern ein realistisches Szenario.
Ich glaube nicht, dass das realistisch ist. Ich glaube auch nicht, dass solche Pauschalisierungen helfen. Das ist kein differenzierter Gestaltungsansatz. Woran ich glaube: Wir werden, besonders in der Kommunikation, eine neue Form des „Denkwerks“ entwickeln. Ähnlich wie beim Handwerk, bei dem wir bereit sind, für einen nach unseren Wünschen maßgeschreinerten Schrank mehr zu bezahlen als für Massenware aus dem Möbelhaus. Die Co-Kreation zwischen Mensch und KI kann PR und Kommunikation auf eine ganz neue Ebene heben. Natürlich wird KI auch viele Brot-und-Butter-Aufgaben erledigen, um einen Teil der kommunikativen Bedürfnisse zu decken. Aber mir persönlich geht die zunehmende Standardisierung total auf den Geist. Schauen Sie sich Linkedin an. Ich schreibe keinen einzigen Post mit Chat GPT. Ich möchte dieses uninspirierte Zeug nicht lesen. Ich suche nach dem, was überraschend und ungewöhnlich ist. Gute Kommunikation wird künftig „Denkwerk“ sein, das sich vom Einheitsbrei klar differenzieren lässt.

 

PR und Kommunikation müssen sich neu erfinden?
Ja. Jetzt lassen Sie mich mal etwas Provokatives sagen. Das wird nicht allen gefallen, aber ich bin der Meinung, dass sich PR und Kommunikation schon länger neu erfinden müssen. Dafür ist KI nicht nur ein Auslöser, sondern auch ein Katalysator. Bei vielen Pressemitteilungen, die ich bekomme, denke ich: „Ach du liebe Güte, wie kann man im Jahr 2024 noch so kommunizieren?“ Da ist wirklich nichts gut geschrieben, da hat niemand nachgedacht und da hatte auch niemand eine Idee. Kommunikation ist doch ein wunderbar kreatives Feld, lassen wir bestimmte Regularien, beispielsweise in der Kapitalmarktkommunikation, mal beiseite. Ich kann jedes noch so einfache Produkt, jeden noch so einfachen Service mit kreativer Energie und einer guten Geschichte interessant machen. Und damit meine ich nicht, die Leute zu betrügen, sondern mir die Mühe zu machen, kommunikativ von den Kunden aus zu denken. KI zwingt uns, neu über uns und unsere Arbeit nachzudenken.

 

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