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Scan-Roboter digitalisiert stündlich bis zu 2500 Seiten - Urteil erschwert Arbeit

Uni Greifswald setzt auf elektronischen Lesesaal.

Greifswald (ddp). Vorsichtig legt Jana Passehl das Lehrbuch über Grundlagen der Finanzierung und Investition in den Leseroboter. ''Ein Scanner-Keil senkt sich in das aufgeschlagene Buch. Ein kurzes Upload, dann stellt die Mitarbeiterin der Universitätsbibliothek Greifswald noch Helligkeit, Kontrast und Graustufen nach, und schon beginnt der Roboter seine Arbeit. Etwa eine Viertelstunde später sind alle 380 Seiten eingescannt. Ein weiteres Lehrbuch aus dem Bestand einer der ältesten Uni-Bibliotheken Deutschlands ist jetzt digital verfügbar.

Seit Ende Oktober werden studentische Hilfskräfte in Greifswald an einem der bundesweit modernsten Scan-Roboter eingewiesen. Mit dessen Hilfe könnten stündlich bis zu 2500 Seiten eingescannt werden, sagt Passehl. "Bislang haben wir das Schritt für Schritt in monotoner Handarbeit auf einem Flachbettscanner gemacht. Aber das war viel zu zeitaufwendig!" Der neue, mehr als 100 000 Euro teure Roboter blättere Seite für Seite mit einem Unterdrucksensor automatisch weiter. Im Takt weniger Sekunden tasten dann Blitzlichtscanner die bis zu 30 Zentimeter großen Buchformate ab.

Bundesweit sind derzeit erst acht solcher Hochleistungsscanner im Einsatz, etwa an Bibliotheken in München, Jena, Regensburg, Berlin und Göttingen. Die Qualität der gleich danach im elektronischen Lesesaal verfügbaren Abbildungen sei wesentlich besser als die bislang digitalisierten Bücher des Suchmaschinenriesen Google, sagt Bibliotheksdirektor Peter Wolff. Die Aufnahmen würden in hoher Auflösung gefertigt, seien gestochen scharf, bei Bedarf mehrfarbig verfügbar und zudem einfach digital zu erschließen.

Bislang sicherte "ScanRobot SR 301" 60 Lehrbücher für die Nachwelt, allesamt Bücher aus dem rechtswissenschaftlichen Bereich, die inzwischen frei von Urheberrechten sind und besonders häufig von den Studenten genutzt werden. Längere Wartezeiten zum Ausleihen soll es bald nicht mehr geben. Nach der Testphase ab Januar sollen dann täglich etwa bis zu 50 Bücher digitalisiert werden.

Der Bedarf sei riesengroß, betont Projektleiterin Petra Helmchen. Unter anderem wolle die Universitätsbibliothek ihre einzigartige, aus Tausenden Exemplaren bestehende Sondersammlung mit Literatur aus dem baltischen Raum einscannen und mit Beständen der Staatsbibliotheken Berlin und München sowie dem Herder-Institut Marburg weltweit online verfügbar machen.

Das Projekt wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert. Bereits komplett digitalisiert wurden die Schriften von Ernst Moritz Arndt (1769-1860), dessen Namen die Uni trägt.

Doch in den überall entstehenden elektronischen Lesesälen der Republik stößt die digitale Nutzung an juristische Grenzen. Denn einerseits dürfen nur Werke ohne Urheberschutz elektronisch vermarktet werden, also Bücher, deren Autoren, Übersetzer und Illustratoren mindestens schon 70 Jahre tot sind. Andererseits ist es den Studenten untersagt, die im elektronischen Katalog verfügbaren Werke zu vervielfältigen.

Erst Ende November hatte das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (AZ 11 U 40/09) in einem Rechtsstreit zwischen dem Stuttgarter Verlag Eugen Ulmer und der Technischen Universität Darmstadt verfügt, dass Inhalte der Bücher weder komplett noch teilweise ausgedruckt oder auf einen privaten USB-Stick herunter geladen werden dürfen. Für Bibliotheks-Chef Wolff schwächt diese Praxis die Medienkompetenz der Nutzer.

Dass die Studenten jetzt bestimmte Passagen vom Bildschirm abschreiben müssten, erinnere an die Zeit der mittelalterlichen Kettenbücher, kritisiert er. Für den Ausbau der elektronischen Lesesäle müsse der Gesetzgeber deshalb so schnell wie möglich Rechtssicherheit schaffen.