Vermischtes
dpa - Anna Ringle

RBB-Intendantin Ulrike Demmer: „Die Krise bestimmt unser Denken“

Der RBB-Skandal um Ex-Intendantin Schlesinger ist nach zwei Jahren nicht zu Ende. Das Hochhaus des Senders könnte verkauft werden. Und was ist aus dem symbolträchtigen Massagesessel geworden?

Berlin (dpa) − RBB-Intendantin Ulrike Demmer macht ein Jahr nach ihrem Start weitere Sparpläne bekannt. Es geht um das markante Fernseh-Hochhaus in Berlin. Die 51-Jährige sprach im Interview der Deutschen Presse-Agentur auch darüber, ob die Krise vor zwei Jahren bis heute im Haus zu spüren ist. Und was ist aus dem Massagesessel aus der Chefetage geworden, der zu einem Symbol der Krise um Vorwürfe der Vetternwirtschaft und Verschwendung gegen die Spitze wurde?

 

Der RBB überprüft wegen schwieriger Finanzlage alle Immobilien auf mögliche Verkäufe. Wie ist der aktuelle Stand? 

Ulrike Demmer: Der RBB hat über seine Verhältnisse gelebt. Der schnellste und einfachste Weg zu Einsparungen wäre es, Programm zu kürzen und entsprechend Personal abzubauen. Weil das Programm aber unser Daseinszweck ist, prüfen wir an allen Stellen des Senders, wie wir effizienter werden. Der Sanierungsbedarf bei den Gebäuden ist enorm. Deshalb haben wir geprüft, ob wir am Berliner Standort Flächen reduzieren und etwa komplett ins Fernsehzentrum ziehen könnten, um das „Haus des Rundfunks» zu verkaufen oder umgekehrt. Das Ergebnis einer ersten Prüfung: Es ist sinnvoller und wirtschaftlicher in das „Haus des Rundfunks“ zu ziehen.

 

Sie erwägen also den Verkauf des markanten RBB-Hochhauses − seit Jahrzehnten Fernsehzentrum in Berlin-Charlottenburg? 

Genau. Für dieses Szenario erstellen wir jetzt ein Konzept und prüfen detailliert, wie es umsetzbar ist und was uns der Umzug kosten würde. Der Prozess ist gestartet, aber bitte erwarten Sie nicht, dass wir morgen umziehen. Wenn es in den kommenden vier oder fünf Jahren zu einem Verkauf käme, wäre das schon flott. Vorher gilt es, das historische und denkmalgeschützte „Haus des Rundfunks“ fit für einen solchen Umzug machen.

 

Sie sind seit einem Jahr Intendantin. Was ist Ihre Beobachtung: Wie viel vom RBB-Skandal ist im Sender noch zu spüren? 

Bevor ich im Sender anfing, empfand ich die zu Recht viel gelobte RBB-Berichterstattung über die eigenen Probleme als eine Art Selbstverletzung: Nach zwölf Monaten Krise gab es nur noch selten echte Enthüllungen, aber für die Gegner des öffentlich-rechtlichen Rundfunks immer wieder gefundenes Futter. Deshalb bin ich in meiner ersten Woche vor die Belegschaft getreten und habe gesagt: „Lasst uns nach vorne gucken!» Heute würde ich das anders formulieren.

 

Inwiefern? 

Wir haben uns der Vergangenheit gestellt, um die Zukunft zu bewältigen. Die Krise bestimmt unser Denken, unser Handeln und Tun noch heute. Wir haben viel aus der Krise gelernt. Sie hat zu grundlegenden Veränderungen geführt. Bei einigen Kolleginnen und Kollegen ist das Bedürfnis nach Aufarbeitung noch nicht vollständig gestillt, deshalb suchen wir gerade nach Formaten, wie wir diesem Wunsch gerecht werden können. Das verlorene Vertrauen wiederzugewinnen, braucht Zeit. Vor uns liegt ein Marathon der kleinen Schritte, aber die Krise liegt hinter uns.

 

In der RBB-Krise wurden der Massagesessel und eine Pflanzenwand in der Führungsetage in vielen Medienberichten zu Symbolen für Verschwendungsvorwürfe. Was ist damit passiert?

Wir haben im Winter einen Aufräumtag initiiert und dabei auch mit dieser sagenumwobenen vertikalen Bepflanzung aufgeräumt, die in der Wartung viel zu teuer war. Wir haben jede dieser Pflanzen − das waren lauter kleine Einzelpflänzchen − in eine RBB-Tasse gesetzt und sie an die Belegschaft verschenkt. Die haben reißenden Absatz gefunden. Nach wenigen Minuten waren alle weg. 

 

Der Leder-Massagesessel soll inzwischen für alle Mitarbeiter nutzbar sein und in einem Pausenbereich samt Getränkeautomaten stehen − stimmt das?

Ja, ich sehe auch immer mal wieder Kolleginnen und Kollegen darin sitzen. Er ist jetzt Allgemeingut. Der Sessel als Symbol für die Krise, die wir hinter uns lassen. Aber ich wäre schon froh, wenn wir bald nicht mehr durch diese Brille betrachtet würden. 

 

Sondern? 

Wir haben im RBB aufgeräumt und aufgearbeitet, das Unternehmen stabilisiert und konsolidiert. Da war viel „Schwarzbrot“ dabei. Entschuldigen Sie die saloppe Formulierung, aber der Ruf nach Reformen klingt attraktiver als es die Umsetzung von Reformen ist. Wir haben die nötigen Grundlagen geschaffen, die Richtung stimmt wieder. Seit dem 1. August hat der RBB nach zwei Jahren zum ersten Mal wieder eine komplette, nicht mehr kommissarisch oder interimistisch bestellte Geschäftsleitung. Wir haben die Geschäftsordnung aktualisiert, die Compliance und die Revision verstärkt. Wir haben die außertariflichen Gehälter verringert und transparent gemacht. Bei der Organisationsstruktur gibt es noch einiges zu tun. Aber wir legen gerade den Grundstein für eine zentrale Personalsteuerung. Und wir haben ein Verfahren eingeführt für Feedback, das die Mitarbeitenden ihren Führungskräften geben, damit das Miteinander ein anderes wird.

 

Wie wollen Sie Vertrauen des Publikums zurückzugewinnen?

Die Akzeptanz des Publikums ist unsere wichtigste Währung. Wir haben das Publikum deshalb im Dezember befragt und eine große Überraschung erlebt: Die Vertrauens- und Glaubwürdigkeitswerte der Zuschauer mit Blick auf den RBB sind hoch. Ich glaube, es gibt eine Diskrepanz zwischen öffentlicher Meinung und veröffentlichter Meinung. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist bei sehr meinungsstarken Interessengruppen in der Kritik. Diese Kritik ist lauter und verbreitet sich leichter, als die Zustimmung unseres Publikums, die wir gemessen haben. Ich will überhaupt nicht sagen, dass wir als Sender nicht Vertrauen zurückgewinnen müssen. Aber das Vertrauen unser regionales Programm ist schon sehr groß.

 

ZUR PERSON: Ulrike Demmer (51) ist seit 1. September 2023 Intendantin des ARD-Senders Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB). Die gebürtige Solingerin studierte Rechtswissenschaften. Sie volontierte beim ZDF. Sie arbeitete danach unter anderem für den ORB, den NDR und das ZDF-Morgenmagazin, war Korrespondentin beim „Spiegel“. Sie arbeitete auch für den „Focus“ und war Leiterin des Hauptstadtbüros des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND). Von 2016 und 2021 war sie stellvertretende Sprecherin der Bundesregierung.