Vermischtes
Newsroom – Wolfgang Messner

NDR drohte Investigativ-Autoren Schröm und Hollenstein wegen ihres CumEx-Buches „Die Akte Scholz“ mit juristischen Schritten

NDR drohte Investigativ-Autoren Schröm und Hollenstein wegen ihres CumEx-Buches „Die Akte Scholz“ mit juristischen Schritten Oliver Schröm und Oliver Hollenstein (r.).

„Offensichtlich hatten die NDR-Oberen die Befürchtung, dass in unserem Buch etwas Unangenehmes über ihren Sender stehen könnte“, sagt Oliver Hollenstein.

Hamburg – Die beiden CumEx-Aufdecker Oliver Schröm und Oliver Hollenstein erheben in einem Exklusiv-Interview mit der aktuellen Ausgabe der „Wirtschaftsjournalist:in“ schwere Vorwürfe gegen den Norddeutschen Rundfunk. Dieser habe dem Ch.Links-Verlag, in dem ihr Bestseller „Die Akte Scholz“ über die Verwicklungen des heutigen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in den CumEx-Skandal enthüllt wird, mit juristischen Schritten gedroht, wenn dieser dem Sender vor Veröffentlichung das Buchmanuskript nicht zur Verfügung stelle.

 

Das sei „ein beispielloser Fall“ und die „allergrößte Keule, die man gegen so ein Buch herausholen kann“, sagt Oliver Hollenstein im WJ-Interview. Der Verlag sei „entsetzt“ gewesen. „Offensichtlich hatten die NDR-Oberen die Befürchtung, dass in unserem Buch etwas Unangenehmes über ihren Sender stehen könnte“, so Hollenstein weiter.

 

Olaf Scholz wird unter anderem vorgeworfen, dass er sich in seiner Zeit als Hamburger Erster Bürgermeister mit dem Bankier Christian Olearius, Miteigentümer der Warburg- Bank, mehrfach persönlich getroffen hatte als gegen diesen die Staatsanwaltschaft bereits wegen schwerer Steuerhinterziehung ermittelt hatte. Zunächst hatte sich Scholz an diese Treffen nicht erinnern können.

 

Später hatte die Hamburger Finanzverwaltung auch auf eine Weisung des Bundesfinanzministeriums nicht reagiert, wodurch dem Staat Ansprüche gegenüber der Warburg Bank in Höhe von 47 Millionen Euro entgangen seien. Dem deutschen Staat ist durch die betrügerischen CumEx-Geschäfte ein Gesamtschaden von rund 36 Milliarden Euro entstanden. In zehn europäischen Staaten und in den USA soll der Verlust gar 150 Milliarden Euro betragen. Allein die Kölner Staatsanwaltschaft ermittelt weltweit gegen 1.500 Personen.

 

Schon nach der ersten Veröffentlichung über die Rolle von Scholz habe es massive Einflussversuche durch Kanzleramtsminister Wolfgang Schmidt und andere gegeben, enthüllt das Autoren-Duo weiter. Schmidt, der schon lange der engste Berater von Olaf Scholz sei, habe sich wiederholt mit persönlichen Diffamierungen und Diskreditierungen der beiden Investigativ-Journalisten an die Chefredaktionen gewandt. Schröm und Hollenstein haben für die „Zeit“, den NDR und das „Manager Magazin“ über die Verwicklungen von Scholz in den CumEx-Skandal berichtet. Schröm ist freier Mitarbeiter des NDR, Hollenstein war zunächst Redakteur bei der „Zeit“ bevor er dann zum „Manager Magazin“ wechselte.

 

Schon da habe der NDR anders als die anderen beteiligten Medien reagiert, sagt Hollenstein. Während die „Zeit“ und das „Manager Magazin“ solche Anwürfe professionell gehandhabt hätten und sich „durch solche Kampagnen eher noch bestärkt“ gefühlt hätten, habe sich der NDR „derlei Verleumdungen offenkundig zu Herzen“ genommen.

 

So habe NDR-Chefredakteur Andreas Cichowicz nach der ersten Veröffentlichung der Anschuldigungen gegen Scholz auf der Webseite des NDR und „Panorama“ einen Beitrag veröffentlicht, in der er angebliche Fehler in der Berichterstattung eingeräumt hatte. So z.B., dass es keinen Beleg für die politische Einflussnahme auf die Entscheidung der Hamburger Finanzverwaltung geben hatte, die Ansprüche nicht mehr zu verfolgen.

 

„Das aber haben wir in der Berichterstattung gar nicht behauptet“, erklärt Schröm. Die SPD aber habe die Erklärung des NDR-Chefredakteurs als Entschuldigung gefeiert und Schmidt habe sich später via Twitter drohend und einschüchternd direkt an Schröm gewandt und angemerkt, seinetwegen habe sich schon einmal ein Chefredakteur entschuldigen müssen.

 

Schröm sagt, dass er diese Vorgänge zum Anlass genommen und sich mehrfach schriftlich an den NDR-Intendanten Joachim Knuth gewandt und Gesprächsbedarf angemeldet habe. Bis heute habe es kein Gespräch mit dem NDR-Intendanten gegeben.

 

Hierzu die Stellungnahme des NDR: 

„Der NDR hat von Anfang an unter der Leitung von Chefredakteur Andreas Cichowicz umfassend und kritisch über den Cum-Ex-Steuerbetrug berichtet. Die Strafverfahren in Köln und die Untersuchungsausschüsse im Bundestag und der Hamburger Bürgerschaft waren genauso Gegenstand der Berichterstattung wie die Veröffentlichung von Auszügen aus dem Tagebuch von Herrn Olearius kurz vor der Bürgerschaftswahl 2020. 

Oliver Schröm war an der Aufklärung dieses Steuerbetrugs entscheidend beteiligt. So hat Oliver Schröm zu Cum-Ex zuletzt im Frühherbst vergangenen Jahres ausführlich berichtet und als Interviewpartner in NDR- und ARD-Sendungen Einblicke gewährt, letztmals als Gast gemeinsam mit Oliver Hollenstein in der 45-minütigen Sendung ,DAS!‘ am 2. Dezember 2022 im NDR Fernsehen. 

Um zu vermeiden, dass ohne vorherige Absprache Redaktionsinterna verwendet werden, war dem NDR daran gelegen, schon im Vorfeld des aktuellen Buchprojekts dafür zu sorgen, dass die Rechte des NDR und seiner Mitarbeitenden gewahrt werden. Daher war der NDR mit dem Verlag in Kontakt getreten. 

Derzeit werden Gespräche mit Herrn Schröm über die gemeinsame Zusammenarbeit geführt. Herr Knuth hat Herrn Schröm Mitte Januar angeboten, im Anschluss daran ein Gespräch zu führen.“

 

Zum ganzen Interview