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Korruption: Der Fall des Jürgen Emig

Der ehemalige HR-Sportchef findet sich ab Montag auf der Anklagebank des Frankfurter Landgerichts wieder.

Frankfurt/Main (ddp-hes). Jetzt wird dem ehemaligen Sportchef des Hessischen Rundfunks (HR) also doch noch der Prozess gemacht. Nach sechs Wochen Untersuchungshaft, mehr als drei Jahren Ermittlungsarbeit und auf den Tag genau 15 Monate nach der Anklageerhebung muss sich Jürgen Emig ab Montag (4. August) vor dem Frankfurter Landgericht wegen Bestechlichkeit als Amtsträger, Anstiftung zur Bestechung sowie Untreue und Betrug verantworten.

Die 12. Strafkammer hat sich mit der Eröffnung des Verfahrens gegen den ab Sonntag 63-Jährigen reichlich Zeit gelassen. Der Grund dafür ist eine bislang juristisch noch nie erörterte Grundsatzfrage: Hat Emig in seiner Eigenschaft als leitender Angestellter des öffentlich-rechtlichen HR hoheitliche Aufgaben als Amtsträger wahrgenommen? Die Kammer scheint diese Frage mittlerweile zu bejahen, zumindest ließ sie die entsprechende Anklage zu. "Wir haben das im Vorfeld schriftsätzlich schon ausführlich mit den Parteien diskutiert", sagt der ermittelnde Staatsanwalt Michael Loer.

Emig soll von Anfang 2000 bis September 2004 durch Betrugs- und Untreuehandlungen 615 000 Euro in die eigene Tasche gewirtschaftet haben. In seiner Rolle als Sportchef des HR kassierte der Radsportexperte sogenannte Produktionskostenzuschüsse, vornehmlich von Veranstaltern in Randsportarten, die eine Berichterstattung im Fernsehen wünschten.

Darüber hinaus soll Emig bei Fernsehübertragungen manchen Sponsor auffällig gut ins Bild gerückt und dafür ebenfalls die Hand aufgehalten haben. Namentlich erwähnt die Staatsanwaltschaft dabei die Radsportveranstaltung "Rund um den Henninger Turm". Mitangeklagt ist Emigs Geschäftsfreund Harald Frahm, ehemaliger Präsident des Deutschen Tanzsportverbandes. Über die Firma des Kaufmanns wurden große Teile der unrechtmäßigen Erlöse erzielt.

Insgesamt werden Emig in der rund 100 Seiten dicken Anklageschrift acht Fälle der Bestechlichkeit sowie Betrug und Untreue in 18 Fällen vorgeworfen. In einem Fall soll Emig den damaligen MDR-Sportchef Wilfried Mohren zu ähnlichen Handlungen angestiftet haben. Mohren selbst ist einer von rund einem Dutzend geladener Zeugen. Weil er aber selbst als Beschuldigter in dem Komplex gilt, muss er nicht aussagen.

Der Sachverhalt und die Zahlungen an sich werden laut Staatsanwalt Loer von der Verteidigung "nicht in Abrede gestellt". Dem Korruptionsexperten und ehemaligen Oberstaatsanwalt Wolfgang Schaupensteiner zufolge ist daher "die Kardinalfrage" in dem Prozess, ob Emig als Amtsträger oder als Angestellter gehandelt hat.

Für die Staatsanwaltschaft zählt der Bereich des öffentlich-rechtlichen Fernsehens zur staatsfreien öffentlichen Verwaltung. "Ein Professor an einer Hochschule ist in seiner Entscheidung auch frei, aber trotzdem ein Amtsträger", glaubt Loer. Emigs Verteidiger Stefan Bonn möchte sich vor dem Prozess nicht zu dem Verfahren äußern.

Sollte das Gericht zu der Überzeugung kommen, dass Emig als Amtsträger gehandelt hat, droht dem ehemaligen Tour-de-France-Kommentator der ARD eine langjährige Haftstrafe. Allerdings könnte es bis dahin nach Ansicht von Schaupensteiner noch eine ganze Weile dauern. "Der Fall landet mit Sicherheit vor dem Bundesgerichtshof", glaubt der ehemalige Leiter der Korruptionsabteilung der Frankfurter Staatsanwaltschaft, unter dessen Ägide der Fall Emig seinerzeit ans Licht kam.

Zunächst muss aber die 12. Strafkammer zu einer Entscheidung kommen. Bis dahin ruht auch das arbeitsgerichtliche Verfahren gegen Emig. Im Laufe der Ermittlungen hatte der Journalist im Sommer 2005 zweimal wegen Verdunklungsgefahr in Untersuchungshaft gesessen. Der HR hatte Emig daraufhin fristlos entlassen, wogegen der frühere Sportmoderator erfolgreich geklagt hatte. Die Entscheidung des Frankfurter Arbeitsgerichts über eine zweite Kündigung ruht bis zum Abschluss des Strafverfahrens. Erst nach Ende des zunächst bis zum 28. Oktober terminierten Prozesses will das Arbeitsgericht entscheiden, ob die vom HR ausgesprochene zweite Kündigung rechtmäßig war.