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Ist die „Berliner Zeitung“ wirklich so erfolgreich, wie ihr Verleger sagt?

Ist die „Berliner Zeitung“ wirklich so erfolgreich, wie ihr Verleger sagt? Holger Friedrich

Holger Friedrich hat in einem Video-Interview mit Roger Köppel keinen Hehl daraus gemacht, dass ihm die Anerkennung der Branche fehlt. Dort könne man sich nicht vorstellen, dass „das gute wirtschaftliche Ergebnis der ,Berliner Zeitung‘“ auf die Erledigung der Hausaufgaben zurückzuführen sei. „kress pro“ ist der Aussage auf den Grund gegangen.

Berlin – Wenn man Verleger Holger Friedrich glaubt, dann läuft alles derzeit und künftig so richtig voll prima, schreibt „kress pro“-Chefredakteur Markus Wiegand in seiner Kolumne „Aus unseren Kreisen“. und weiter: In einem Videointerview mit der Schweizer „Weltwoche“, das der Titel im September veröffentlichte, sagte er: „Nach fünf Jahren kann ich sagen, die ,Berliner Zeitung‘ ist durchsaniert und sie ist profitabel.“ Das sei ein großartiger Teamerfolg, stellte er außerdem fest und fügte hinzu. „Die ,Berliner Zeitung‘ ist unkaputtbar, zumindest für die nächsten zehn, 15 Jahre.“

 

„Kress pro“ hat daraufhin beim Verleger nachgefragt, wie sich Umsatz und Ergebnis zuletzt entwickelt haben. Friedrich mochte sich dazu nicht äußern. Das ist in der Branche nicht ungewöhnlich. Ziemlich seltsam ist aber, dass Friedrich auch keine einzige Zahl zum Lesermarkt teilen mochte.

 

Im Interview mit der „Weltwoche“ behauptet er, seit „sechs, sieben Monaten“ würden die digitalen Verkäufe stark steigen. Nachprüfen, wie groß dieses Wachstum ist, lässt sich nicht, sein Unternehmen meldet schon seit Jahren bei der IVW keine Zahlen mehr. Schaut man aber in die Mediadaten seines Hauses, so darf man festhalten, dass sich darin keine Anhaltspunkte für den raketenmäßigen Anstieg finden lassen, in dem Friedrich einen Start-upwürdigen „Hockey Stick“ erkennt.

 

Für das zweite Quartal 2024 gibt das Unternehmen die Print-Auflage (Montag bis Freitag) der „Berliner Zeitung“ mit 52.900 Exemplaren an, davon 29.000 E-Paper (gerundet). Ein Jahr zuvor meldete man in den Mediadaten: 60.700 Print-Auflage, davon 33.100 E-Paper. In den Daten ist nicht angegeben, ob die Auflage verkauft oder verbreitet wurde. Was man dagegen festhalten kann: Die digitale Reichweite ist im zweiten Quartal 2024 gegenüber dem Vorjahr deutlich gestiegen (von 14 auf 19 Millionen Visits).

Nach einem Bericht in der „Weltwoche“, die die Zahlen „aus bester Quelle“ kennen will, wird der Berliner Verlag in diesem Jahr „einen Gewinn im solide-siebenstelligen Bereich machen“.

 

Das wäre aller Ehren wert. Allerdings ist es angesichts eines Umsatzes von 2022 gemeldeten 39 Millionen Euro auch keine Bonanza. Der Jahresüberschuss damals: rund 261.000 Euro.

 

Ein wichtiger Schlüssel zur Sanierung des Verlages war die Schließung der Druckerei (2024) und das Abstoßen des hauseigenen Anzeigenblattes (2021). Quellen von Vorgänger DuMont hatten bereits 2019 betont, dass die Zeitungsmarken ohne die Defizite des Gratistitels und der Druckerei eine schwarze Null schreiben würden.

 

Interessant an dem „Weltwoche“-Gespräch ist auch, dass deutlich wird, warum Friedrich mit großen Teilen der Branche fremdelt. Ihm fehlt die Anerkennung. Dagegen nehmen ihn viele Führungskräfte als Lautsprecher wahr, der den Mund gerne voll nimmt.

 

Friedrich erzählt „Weltwoche“-Chef Roger Köppel im Videointerview, die Reaktionen aus der Branche für sein Engagement bei der „Berliner Zeitung“ seien bisher zu „großen, großen Teilen“ unsouverän gewesen. In der Branche könne man sich nicht vorstellen, dass das gute wirtschaftliche Ergebnis auf die Erledigung der Hausaufgaben zurückzuführen sei. Man unterstelle vielmehr, dass die „Berliner Zeitung“ von sonst wem finanziert werde.

 

Der Verleger sagt weiter: Nach dem Kauf „hätte ich mich zum Essen eingeladen und gefragt: Was siehst du da und was würdest du jetzt tun?“ Und jetzt nach der erfolgreichen Sanierung hätte er sich erst recht zum Essen eingeladen. „Das wird nie passieren, da bin ich mir sehr, sehr sicher.“

Interviewer Köppel, auch nicht verwöhnt durch allzu viel Lob aus der Branche, reagiert da deutlich abgebrühter. Man könne wohl kaum erwarten, dass die Konkurrenz die eigenen Produkte lobe, sagte der Schweizer mit heiterer Miene.

 

Must Reads im „kress pro“.

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