Ältere dapd-Mitarbeiter häufiger arbeitslos oder als Freiberufler tätig
Ein knappes Jahr nach der Betriebseinstellung am 11. April 2013 sind sehr viele frühere dapd-Beschäftigte wieder berufstätig. Ältere sind weitaus häufiger arbeitslos als jüngere Journalisten. Auch der Anteil der Freiberufler ist bei den Älteren deutlich größer als bei den Jüngeren, was den Rückschluss zulässt, dass viele mangels Alternative für sich diesen Weg gewählt haben.
Berlin - Das ist das Ergebnis einer Umfrage von früheren dapd-Mitarbeitern unter ihren ehemaligen Kollegen, das Newsroom.de vorliegt.
Das Ergebnis in Kürze
Weit über die Hälfte der Ex-dapd-Beschäftigten arbeiten weiter im Journalismus, ein Drittel im Bereich PR/Öffentlichkeitsarbeit. Nur fünf Prozent sind nicht mehr in der Kommunikationsbranche tätig.
Diejenigen, die wieder eine Festanstellung haben, schneiden in jeder Hinsicht besser ab als Freiberufler: Sie sind häufiger finanziell bessergestellt als zu dapd-Zeiten, auch ihre aktuelle Arbeits- und Lebensqualität bezeichnen sie häufiger als besser als heutige Freiberufler.
Insgesamt nennen aber viele Befragte ihre heutige Arbeits- und Lebenssituation besser als früher. Eine ähnlich klare Aussage in Bezug auf die Bezahlung lässt sich nur eingeschränkt machen, weil frühere Volontäre nicht extra erfasst wurden.
Wer in die Branche PR/Öffentlichkeitsarbeit gewechselt ist, hat häufiger einen unbefristeten Vertrag und wird auch besser bezahlt.
Eine große Mehrheit sieht im Ende der dapd einen Verlust für die Medienvielfalt; das ist nicht weiter verwunderlich bei einer Umfrage unter Ex-dapd-Beschäftigten; aufschlussreich sind aber die Begründungen: Hier wird immer wieder darauf hingewiesen, dass dpa jetzt ein Monopol hat und gerade auf Länderebene bestimmt, über was berichtet wird und über was nicht.
Newsroom.de-Service: Die Auswertung der Umfrage
Grundlage: Erstellt wurde eine Liste von 286 dapd-Mitarbeitern aus den Bereichen Foto, Video, Textredaktion inklusive Sport und Dokumentation, die am Tag der 1. Insolvenz, dem 2. Oktober 2012, bei dapd beschäftigt waren. Dabei haben sich die Ersteller der Umfrage konzentriert auf Festangestellte bzw. Pauschalisten, die überwiegend für dapd gearbeitet haben. Nicht in allen Fällen war eine klare Unterscheidung möglich, die Liste kann auch keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben. Es ist möglich, dass Einzelne nicht berücksichtigt wurden
In zehn Fällen gelang es den Erstellern der Umfrage nicht, eine E-Mail-Adresse zu bekommen. Angeschrieben haben sie 276 Personen. Zwei davon entpuppten sich als „Sonderfälle“ (Elternzeit/nicht hauptsächlich bei dapd gearbeitet): Also bleiben 274 Befragte.
Vom Markt verschwunden - die Nachrichtenagentur dapd.
Davon haben geantwortet: 149 Befragte (Rücklaufquote von rund 54 Prozent). Diese bildeten bei der Berechnung die Stichprobe.
Der Fragebogen: Die ehemaligen dapd-Mitarbeiter bekamen per Mail einen Fragebogen mit folgenden Fragen:
Bist Du derzeit (Stichtag 28.2.2014) noch arbeitslos? (ja/nein)
Wenn es nach dem Ende bei dapd eine Phase der Arbeitslosigkeit gab, wie lange dauerte sie? (1-3 Monate, 3-6 Monate, 7-9 Monate, 10-12 Monate, 13-16 Monate)
Bist Du in einem Arbeitsverhältnis oder freiberuflich tätig? (angestellt/freiberuflich)
- Wenn angestellt: befristet/unbefristet
In welcher Branche bist Du jetzt tätig? (Journalismus/Öffentlichkeitsarbeit/PR/anderer Bereich)
Wie empfindest Du die neue Tätigkeit im Vergleich mit der Arbeit bei dapd?
A) in Bezug auf Bezahlung (besser gestellt / schlechter gestellt / unverändert)
B) in Bezug auf Arbeits- und Lebensqualität (besser gestellt / schlechter gestellt / unverändert)
Hatte Deiner Ansicht nach die Insolvenz negative Auswirkungen auf die Medienlandschaft? (ja/nein)
- Inwiefern (kurze Begründung)
Sonstige Bemerkungen
Persönliche Daten: Alter zum Zeitpunkt der Betriebseinstellung (22-35; 36-45; 46-55; 56-65); Geschlecht (männlich/weiblich); Berufserfahrung im Journalismus (zwei bis acht Jahre; neun bis 19 Jahre; mehr als 20 Jahre)
Die Umfrage war anonym. Das heißt, die Befragten sollten die Fragebogen ausdrucken und per Post schicken.
Ergebnisse
I. Persönliche Daten
- Geschlecht: Von den 149, die den Fragebogen beantworteten, waren 87 Männer (58,4 Prozent), 58 Frauen (38,9 Prozent), vier (2,7 Prozent) beantworteten die Frage nicht.
- Alter: Was das Alter angeht, gehörten 66 (44,3 Prozent) der Altersgruppe 22 bis 35 Jahre an, 36 (24,2 Prozent) gehörten zur Altersgruppe der 36- bis 45-Jährigen, 27 (18,1 Prozent) zu den 46- bis 55-Jährigen und 17 (11,4 Prozent) zu den 56- bis 65-Jährigen. Drei Personen (2 Prozent) machten keine Angaben.
- Berufserfahrung: 60 (40,3 Prozent) gaben eine Berufserfahrung zwischen zwei und acht Jahren an, 41 (27,5 Prozent), eine Berufserfahrung zwischen 9 und 19 Jahren, 46 (30,9 Prozent) eine von über 20 Jahren. Zwei (1,3 Prozent) machten keine Angabe.
II. Arbeitslosigkeit
Von den 149 Befragten waren 131 (87,9 Prozent) an dem angegebenen Stichtag (28. Februar 2014) nicht mehr arbeitslos gemeldet, 17 (11,4 Prozent) waren arbeitslos gemeldet, in einem Fall wurde die Frage nicht beantwortet.
Von den 17 noch Arbeitslosen waren neun männlich, sieben weiblich (in einem Fall wurde die Frage nicht beantwortet.) Zwei gehörten der Altersgruppe 22 – 35 Jahre an, acht der Altersgruppe 46 bis 55 Jahre, sechs der Altersgruppe 56 bis 65 Jahre). Das bedeutet in Bezug auf die Altersverteilung der Stichprobe, dass Ältere weitaus häufiger arbeitslos sind als Jüngere: Von den 22- bis 35-Jährigen, die geantwortet haben, sind gut 3 Prozent arbeitslos, von den 36- bis 45-Jährigen null Prozent, von den über 46-Jährigen knapp ein Drittel.
Dabei hilft ihnen auch ihre Berufserfahrung nichts: Elf (68,8 Prozent) derjenigen, die noch arbeitslos gemeldet sind, haben eine Berufserfahrung von mehr als 20 Jahren.
III. Dauer der Arbeitslosigkeit
Keine Arbeitslosigkeit, also den nahtlosen Übergang in den nächsten Job, gaben 41 (27,5 Prozent) an, ein bis drei Monate arbeitslos waren 48 (32,2 Prozent), vier bis sechs Monate 28 (18,8 Prozent), sieben bis neun Monate 10 (6,7 Prozent) 10 bis 12 Monate 16 (10,7 Prozent) und 13 bis 16 Monate sechs (vier Prozent) Befragte (In diesem Fall dürfte es sich um Personen handeln, die am 28. November 2012 entlassen wurden.)
IV. Status und Bezahlung
Auf die Frage, ob sie angestellt oder freiberuflich tätig seien, antworteten 138 Befragte, darunter acht Personen, die noch als arbeitslos gemeldet sind. Davon gaben 85 (61,6 Prozent ) Befragte an, sie seien angestellt, 49 (35,5 Prozent) arbeiten als Freiberufler, vier (2,9 Prozent) sind angestellt und gleichzeitig freiberuflich tätig.
89 Personen arbeiten also vollständig oder teilweise als angestellt Beschäftigte. Davon sind 46 (51,6 Prozent) befristet beschäftigt, 42 (47,1 Prozent) haben einen unbefristeten Vertrag, in einem Fall wurde keine Angabe gemacht (1,3 Prozent).
In Bezug auf die Bezahlung erklärten von den 138 insgesamt 74 (53,6 Prozent), sie stünden besser da als früher, 44 (31,9 Prozent) erklärten, sie stünden schlechter da, bei 20 (14,5 Prozent) blieb die Situation unverändert. Aufgeschlüsselt nach Angestellten- bzw. Freiberuflerstatus ergibt sich folgendes Bild:
Bei den Angestellten sind 57 (67,1 Prozent) bessergestellt, 15 (17,6 Prozent) schlechtergestellt, bei 13 (15,3 Prozent) ist die Situation unverändert. Bei den Freiberuflern geben 16 (32,7 Prozent) an, sie seien bessergestellt, 27 (55,1 Prozent) erklären, sie seien schlechtergestellt, bei 6 (12,2 Prozent) ist die Situation unverändert.
In Bezug auf die Branche zeigte sich, dass 75 Prozent der im Bereich PR/Journalismus Beschäftigten ihre Situation bezüglich der Bezahlung besser als früher bezeichneten, bei 15 Prozent ist sie gleich geblieben, bei 10 Prozent schlechter als vorher. Bei den im Journalismus Beschäftigten gaben 53 Prozent an, sie seien bessergestellt, knapp 34 Prozent sind schlechtergestellt, bei 13,3 Prozent ist die Situation unverändert.
Einschränkend muss hier hinzugefügt werden, dass Volontäre nicht extra erfasst wurden: Diese dürften, wenn angestellt, inzwischen als Redakteure arbeiten und „naturgemäß“ mehr verdienen als während des Volontariats.
Dies bestätigt auch ein Blick auf die Altersverteilung in Bezug auf die Bezahlung: Von den 22- bis 35-Jährigen erklärten 73,8 Prozent, sie seien jetzt bessergestellt. Bei 15 Prozent ist die Situation unverändert, bei 11,2 Prozent schlechter als vorher. Bei den 36 bis 45 Jahre alten Befragten sehen sich 50 Prozent bessergestellt, 36 Prozent schlechtergestellt, unverändert: 14 Prozent. Bei den 46- bis 55-Jährigen sind 17,3 Prozent bessergestellt, 69,5 Prozent schlechtergestellt, unverändert: 13,2 Prozent. Ebenso deutlich zeigt sich dies bei der Altersgruppe der 56- bis 65-Jährigen: 25 Prozent sind bessergestellt, 66 Prozent schlechtergestellt, unverändert: neun Prozent.
V. Branche
86 Befragte (57,7 Prozent) sind weiterhin im Journalismus beschäftigt, 32 (21,5 Prozent) im Bereich PR/Öffentlichkeitsarbeit, 13 (8,7 Prozent) machen beides und 7 (4,7 Prozent) sind in einem komplett anderen Bereich beschäftigt. Elf Befragte machten keine Angabe. Die Differenz zwischen den elf und den insgesamt 17 noch arbeitslos Gemeldeten dürfte sich damit erklären, dass einige ja trotz Arbeitslosigkeit Tätigkeiten ausüben.
Von den im Journalismus Beschäftigten sind 48 angestellt, 35 arbeiten freiberuflich, zwei arbeiten teils angestellt, teils freiberuflich, einer antwortete nicht darauf. Im Bereich PR/Öffentlichkeitsarbeit sind 31 festangestellt, nur eine Person arbeitet hier freiberuflich. Bei denjenigen, die in beiden Bereichen tätig sind, sind zehn von 13 freiberuflich tätig.
Ferner ergab sich, dass die Festangestellten im Journalismus häufiger befristete Verträge haben als diejenigen im Bereich PR/Öffentlichkeitsarbeit: Waren hier von den 31 Festangestellten 20 (64 Prozent) in einem unbefristeten und 11 (36 Prozent) in einem befristeten Verhältnis, ist es im Journalismus quasi umgekehrt: Von den 48 Festangestellten haben 29 (61 Prozent) einen befristeten Vertrag und 19 (39 Prozent) einen unbefristeten Vertrag. Hintergrund: Die Differenz zu den oben genannten 46 in einem befristeten und 42 in einem unbefristeten Vertrag ergibt sich durch diejenigen, die sowohl im Journalismus als auch in der PR tätig sind und diejenigen, die jetzt in einem ganz anderen Bereich arbeiten. Wegen der geringen Zahl wurde keine weitere Auswertung vorgenommen.
VI. Veränderung der Arbeits- und Lebensqualität
Von den 131 Personen, die eine neue Tätigkeit haben, erklärten 70 (53,4 Prozent), sie fühlten sich in Bezug auf Arbeits- und Lebensqualität bessergestellt als früher. 29 (22 Prozent) empfinden ihre jetzige Arbeits- und Lebenssituation schlechter als früher, 31 (23,6 Prozent) als unverändert. Eine Person machte keine Angaben.
In Bezug gesetzt zum Status (angestellt/frei) erklärten seitens der 85 Festangestellten 50 Befragte (58,8 Prozent), ihre Arbeits- und Lebensqualität sei besser als vorher, bei 15 (17,7 Prozent) ist sie schlechter, bei 20 (23,5 Prozent) unverändert.
Von den 49 Freiberuflern sehen 22 (44,9 Prozent) ihre Arbeits- und Lebenssituation besser als vorher, 18 (36,7 Prozent) empfinden sie als schlechter, 9 (18,4 Prozent) als unverändert.
Von den 17, die noch als Arbeitslos gemeldet sind, beantworteten acht die Frage: Drei erklärten, ihre Lebenssituation habe sich verbessert, fünf, sie habe sich verschlechtert.
VIII. Status und Alter
Setzt man den Status – also angestellt oder freiberuflich tätig – bei denjenigen, die wieder eine Tätigkeit ausüben, in Bezug zum Alter, zeigt sich, dass Ältere häufiger freiberuflich arbeiten.
Bei den 22- bis 35-Jährigen sind 45 (69,2 Prozent) angestellt und 18 (27,6 Prozent) freiberuflich tätig. Bei den 36- bis 45-Jährigen sind 24 (68,5 Prozent) angestellt und 11 (31,4 Prozent) freiberuflich tätig. Bei den 46- bis 55-Jährigen sind 9 (39,1 Prozent) angestellt , 12 (52 Prozent) freiberuflich tätig. Zwei (8,9 Prozent) machen beides. Bei den 56- bis 65-Jährigen ist die Hälfte (6 - 50 Prozent) angestellt, die andere Hälfte freiberuflich tätig.
IX. Medienbranche
Gefragt, ob die dapd-Insolvenz Auswirkungen auf die Medienbranche gehabt habe, antworteten 133 (89 Prozent) mit ja und 13 (8,7 Prozent) mit nein. Drei (2,3 Prozent) machten keine Angabe. Bei dieser Einschätzung sind keine großen Unterschiede zwischen den verschiedenen Altersgruppen, der Berufserfahrung oder dem Geschlecht zu erkennen.
Newsroom.de-Service: Ehemalige dapd-Mitarbeiter planen auch ein Buch über die Geschichte der dapd. Für die Veröffentlichung wird noch ein Verlag gesucht. Kontakt gerne über chefredaktion@newsroom.de - wir leiten die Nachrichten weiter.
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