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Storys von Down Under: Warum sda nachts auf Sydney setzt

Weil immer mehr Mitarbeiter die Nachtschicht nur ungern übernehmen, geht die Schweizerische Depeschenagentur (sda) ab Anfang 2014 einen neuen Weg. Aus der Nachtschicht wird eine Tagesschicht, vier sda-Redakteure wechseln für rund vier Jahre nach Sydney.

Berlin - Die Räumlichkeiten hat Bernard Maissen, Chefredaktor der Schweizerischen Depeschenagentur, für seine Mitarbeiter bereits gefunden. Wer geht, steht ebenfalls bereits fest. Die Redaktoren beziehen ihre Schreibtische bei der Australian Associated Press (AAP), der australischen Nachrichtenagentur. Was Bernard Maissen sich mit der Entscheidung für Australien erhofft und wie diese Entscheidung mit dem Medienwandel zusammenhängt, hat er Newsroom.de verraten.

"Es ist in erster Linie keine Sparübung", sagt Maissen. Bernard Maissen, der an der Universität Freiburg Germanische Philologie, Neue Deutsche Literatur sowie Mittelalterliche Geschichte studiert hat, übernahm im Herbst 2005 die Chefredaktion der traditionsreichen Schweizer Nachrichtenagentur, die sich wie andere Medienhäuser im Wandel befindet.

 

Bernard Maissen ist Chefredaktor der Schweizerischen Depeschenagentur (sda).

 

Dabei musste die sda in den vergangenen Jahren immer wieder massiv sparen, der kooperative Gedanke, eine gemeinsame Genossenschaft als Nachrichtenlieferant, steht nicht nur in der Schweiz immer dann auf dem Spiel, wenn die Auflagen der Tageszeitungen weiter sinken. Für das Jahr 2013 ist die sda-Geschäftsführung aber "vorsichtig optimistisch", 2012 betrug der Konzerngewinn gemeinsam mit den Tochtergesellschaften immerhin 725.000 Franken.

Unbeliebte Nachtschicht

"Es wird immer schwieriger, Leute für die Nachtschicht zu gewinnen. Unsere Mitarbeiter übernehmen diese Schicht nur ungerne", erklärt Maissen. Mit der Verlagerung nach Australien verspricht er sich eine qualitative Aufwertung des Dienstes. Wer tagsüber arbeitet, arbeitet besser, konzentrierter, ist kreativer und ausgeglichener.

Ein Beispiel nimmt sich sda-Chefredaktor Maissen an der dänischen Nachrichtenagentur Ritzau (1866 gegründet, beschäftigt rund 100 Redakteure). Ritzau hat laut Maissen bereits hervorragende Erfahrungen mit der Arbeit von "Down Under" gemacht. Auch zukünftig wird die Nachtschicht die Reporter vor Ort bei besonderen Entwicklungen alarmieren, dank Digitalisierung sind Arbeitsumfelde möglich, von denen vor zwölf Jahren ohne Skype und mit überhöhten Telefongebühren nicht zu träumen war.

Einsparungen in Höhe von jährlich 100.000 Franken

Laut dem stellvertretenden sda-Chefredaktor Wilfried Kösters wird die sda jährlich rund 100.000 Franken einsparen. "Die Einsparung ergibt sich vor allem daraus, dass keine Nachtzuschläge bezahlt werden müssen. Heute werden sieben Nachtschichten mit zehn Tagschichten abgegolten, der Zuschlag beträgt also rund 43 Prozent. Die Funktionszulage ist deutlich geringer", erklärt Bernard Maissen.

Vier Redaktore in Sydney

Die Schweizerische Depeschenagentur wird je zwei Mitarbeiter für den deutschsprachigen und je zwei Mitarbeiter für den französischen Dienst entsenden. Die vier Redaktoren sind bereits ausgewählt: "Die deutschsprachigen Redaktoren arbeiten heute im Ausland-Ressort und als Bundeshaus-Korrespondent in der Parlamentsberichterstattung, die französischsprachigen Redaktoren kommen aus dem Ausland- und dem Inlandressort."

Kurze Rotationen wie bei "20 Minuten" wird es nicht geben. "Die Kollegen sollen wirklich Down Under eintauchen", so Bernard Maissen. Auch dieses Konzept wird laut Maissen bereits von Ritzau angewendet. Die vier Kollegen dürfen nach den Jahren im Ausland zur sda zurückkehren.

Maissen glaubt, dass zwei Personen pro Sprache die Dienste fast vollständig abdecken können. "In Einzelfällen wird der Nachtdienst noch von Bern aus produziert", so der Chefredaktor. Die Zahl der Meldungen in der Nacht variiert stark und ist extrem von der Aktualität abhängig. "Wir gewährleisten mit unserer Nachtschicht auf Deutsch und Französisch aber die 24 Stunden-Abdeckung und die Alarmierung, wenn irgendwo in der Schweiz etwas Grosses passiert oder im Ausland etwas geschieht, was die Schweiz betrifft", so Maissen. Neben dem Basisdienst erstellen die Journalisten auch den Online-Dienst, der vollautomatisiert auf zahlreichen News-Sites der Schweiz publiziert wird.

Der Einsatz der sda Sydney ist ab dem 1. Januar 2014 geplant - "wenn denn alles mit den Papieren klappt". Die sda Sydney wird das größte Auslandsbüro der Schweizerischen Depeschenagentur überhaupt; eine feste Korrespondentin beschäftigt die sda nur in Brüssel, die Schweizer Aspekte abdeckt. "Feste" Freie bearbeiten in den USA, Nahost oder Asien Themen und liefern ebenfalls Beiträge mit einem Schweizer Aspekt.

Für die internationale Berichterstattung setzt die sda dagegen weiterhin auf Partneragenturen wie die Deutsche Presse-Agentur (dpa), Reuters (rtr), Agence France-Presse (AFP), die italienische Agenzia Nazionale Stampa Associata (ANSA) oder die spanische EFE.

Vorbild Gratiszeitung

In die Ferne haben bereits "20 Minuten" (in Hongkong) und der "Tages-Anzeiger" (in Bangkok) aus der Nacht einen Tag gemacht. In Deutschland setzt Jan-Eric Peters, Chefredakteur der "Welt"-Gruppe (Axel Springer) auf Qualitätsverbesserungen, wenn der Nachtdienst vom Ausland aus gesteuert wird: "Nachtdienste bringen mehr, wenn man sie tagsüber macht". Und auch die "Bild" plant laut Springer-Chef Mathias Döpfner, ein Büro für die Nachtschicht im Ausland einzurichten.

Redaktionssitz: Los Angeles.

Bülend Ürük

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