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Niedergang der „Echo“-Zeitungen: „Es gibt viel mehr Esser am Tisch“

Seit Jahren wird über den Wandel in der Zeitungslandschaft debattiert, über die Möglichkeiten, über die Veränderungen, über den Druck, etwas Neues aus den Gewinnen, die Verlegerdynastien aus dem Printgeschäft über Jahrzehnte eingefahren haben, zu erschaffen. Und dann holen uns doch wieder Nachrichten wie die aus Darmstadt ein. Von Bülend Ürük.

Darmstadt - Da ist also eine Monopolzeitung in einem wirtschaftlich stabilen Umfeld in einer Großstadt mit hervorragender Universität, mitten im Speckgürtel unweit der Finanzmetropole Frankfurt, die sich im Familienbesitz befindet und deren Antwort auf den Medienwandel trotzdem lapidar lautet, im großen Stil Personal zu entlassen, Menschen vor die Tür zu setzen.

Nicht zu vergessen, dass gerade die Thema Informationswandel, Digitalisierung und welche Schlagwörter es noch gibt, um die Veränderungen in der Medienlandschaft zu dokumentieren, in Darmstadt erforscht werden. Vor Ort ist schließlich auch T-Online, eines der größten Medienangebote überhaupt im deutschsprachigen Netz. Im Verlag gibt es Stimmen, die offensichtlich nur rein rhetorisch in den Raum werfen, ob es nicht eine Möglichkeit gegeben hätte, mal bei der Telekom-Tochter vorbeizuschauen und zu überlegen, wie man vielleicht hätte zusammenarbeiten können.

Am Ende, sagt „Echo“-Sprecher Hannes Fischer, bleiben 140 Vollstellen im Verlag übrig, derzeit sind es noch 300 Vollzeitstellen, Mitte 2003 beschäftigte der Traditionsverlag sogar noch 700 Mitarbeiter.

 

Ein paar Gedanken zum Kahlschlag beim #darmstaedterecho #zeitungskrise #zeitungssterben http://t.co/D3jyM0jj8J

— christoph lippok (@c_lippok) 23. September 2014

Manche Abteilungen werden komplett „outgesourct“, dass ist dieser englische Begriff, der besagt, dass die Arbeit weiterhin anfällt, aber bitteschön extern und für einen geringeren Betrag. Komplett sollen nach unseren Informationen die Abteilungen Callcenter, die IT und das Rechnungswesen stillgelegt werden, in anderen Abteilungen sollen ein, zwei Mitarbeiter als „Verbindungsoffiziere“ zum zukünftigen Dienstleister, für die Koordinierung übrig bleiben.

Doch "Echo"-Sprecher Fischer betont am Dienstagmorgen nach der Newsroom.de-Erstveröffentlichung mit Nachdruck gegenüber NEWSROOM, dass im Unternehmen noch nicht final entschieden sei, welche Abteilungen tatsächlich ganz zugesperrt werden: "Es ist noch nicht klar, in welchen Abteilungen wieviele Personen verbleiben werden", erklärt Hannes Fischer.

Veräußert werden soll ebenfalls das Stammhaus des Verlages in Darmstadt: „Der Stammsitz ist zu groß, leere Räume sind ein Grauen für jeden Unternehmer“, so Hannes Fischer.

Seit 1991, so „Echo“-Sprecher Hannes Fischer, sei die verkaufte Auflage aller Tageszeitungen in Deutschland massiv zurückgegangen: „Zwar haben wir noch stabile Leserzahlen, aber trotzdem hat die Auflage nachgelassen“, so Fischer. Für ihn steht zudem fest: „Es gibt viel mehr Esser am Tisch“, der Wettbewerbsdruck, gerade auf dem Anzeigenmarkt mit vielen Gratisblättern habe zugenommen. Mit weniger Personal solle es strategische Zukäufe geben, auch wolle der Verlag dann energischer gegen Wettbewerber antreten, die mit "Kampfpreisen" um Werbung am Markt kämpfen.

 

Sparkurs beim Darmstädter Echo: Was die IVW-Zahlen zeigen / Zur aktuellen Mitarbeiterversammlung http://t.co/ymAKcGFuhS #Darmstadt"

— Martin Krauß (@martin_krauss) 22. September 2014

Als Beispiel für einen Mitbewerber, der mit "Kampfpreisen" am Markt agiere, wird in Gesprächen mit Verantwortlichen in Darmstadt immer wieder das von Helmut Markwort und Mitstreitern herausgegebene Anzeigenblatt "Darmstädter Tagblatt" genannt.

Auch in der Redaktion müssen Mitarbeiter gehen; laut Fischer gibt es Pläne, dass sich die „Echo“-Zeitungen auf ihr Kerngeschäft, Nachrichten aus Darmstadt und Südhessen anzubieten, konzentrieren werden. Dazu gehöre es nicht, die überregionalen Seiten im Haus zu produzieren. „Der Mantel wird in Zukunft zugekauft, von wem, steht noch nicht fest“, so Fischer im Gespräch mit Newsroom.de.

Laut Fischer arbeiten in den "Echo"-Lokalredaktionen derzeit 90 Redakteurinnen und Redakteure, in der Mantelredaktion sind 24 Redakteure beschäftigt.

Nach NEWSROOM-Informationen könnten die überregionalen Seiten zukünftig wie weitere Dienstleistungen für die „Echo“-Titel aus Mainz kommen.

Gemeinsam mit der Verlagsgruppe Rhein-Main („Allgemeine Zeitung Mainz“) betreibt das Darmstädter Medienhaus bereits das Druckzentrum Rhein Main in Rüsselsheim, die Zeitungen der Rhein Main Presse erscheinen wie die „Echo“-Zeitungen im Rheinischen Format, es müsste also überhaupt keine technische Anpassung geben. Zudem sammelt die Redaktion der „Allgemeinen Zeitung Mainz“ bereits seit 2013 Erfahrungen in der Produktion der überregionalen Seiten für hessische Tageszeitungen; am Newsdesk in Mainz entstehen die überregionalen Seiten für die VRM-eigenen „Wiesbadener Kurier“ und „Wiesbadener Tagblatt“.

Hintergrund

Die Echo Medien GmbH ist Herausgeberin der „Echo“-Zeitungen. Dazu zählen neben dem Hauptblatt „Darmstädter Echo“ beispielsweise auch die Lokalausgaben "Groß-Gerauer Echo", "Rüsselsheimer Echo", "Starkenburger Echo" oder "Odenwälder Echo". Als Geschäftsführender Gesellschafter agiert Verleger Hans-Peter Bach, dem die Hälfte der Anteile an dem Unternehmen gehören. Je ein Viertel an dem Unternehmen gehört den Geschwistern Pia Schneider und Lars Bach, Kinder seines 2009 verstorbenen Bruders Horst Bach.

 

 

@buelend Das #DarmstädterEcho hatte früher einen exzellenten Ruf. Aber ich lebe schon lange nicht mehr in #Hessen. Und online nie begegnet

— jeany555 (@mellubo1) 23. September 2014

Dass Verlegersein heute nicht mehr die große Freude bereitet, musste Hans-Peter Bach ja schon in diesem Frühjahr erleben. Bach, Spross von Max Bach, dem Mann, der die „Echo“-Zeitungen nach dem Krieg auf die Erfolgsspur gesetzt hat, ein Über-Verleger, der Wert vor allem auf seine eigene Meinung legte und ein großer Gönner für die Stadt war, Hans-Peter Bach also fiel durch bei den Wahlen zur Vollversammlung der Industrie- und Handelskammer Darmstadt, die er davor als Präsident angeführt hatte.

Ein Verleger, der ein Ehrenamt nicht bekommt, obwohl er sich zur Wahl stellt? Hätte es früher auch nicht gegeben.

Bülend Ürük

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