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Peter Bachstein über das Journalistenleben: „Fast mein Traumberuf“

Wie ich dazu kam und warum ich dabei blieb" - der Kollege Peter Bachstein aus Bautzen hat für NEWSROOM aufgeschrieben, warum er den Weg in den Journalismus eingeschlagen hat. "Schuld sind nur die Mädchen", sagt er. Und: "Solange du schreibst, lebst du. Legst du den Griffel aus der Hand, kommt der Sensenmann.

Bautzen - Bei der Frage nach dem Traumberuf sagen Jungs wie mein achtjähriger Enkel meistens Fußballprofi oder „irgendwas mit Computern“. Journalist zu sein wie ich kann er sich überhaupt nicht vorstellen oder nur „wenn's gar nichts anderes gibt“. Und er hat mich auch schon gefragt, warum mir nichts Besseres eingefallen ist. Doch was soll es denn Besseres geben?

Schuld waren die Mädchen

Auch damals, Mitte der fünfziger Jahre, geisterten durch die Berufsträume der Jungs nicht gerade Musiker, Schreiberlinge oder ähnliche brotlose Existenzformen. Anständige Jungs wollten Lokomotivführer werden oder auch Polizist. Ich aber fing an Gitarre zu spielen und Gedichte zu schreiben um später mal Goethe oder Beethoven zu werden – am besten beides zugleich.

 

Peter Bachstein hat für NEWSROOM aufgeschrieben, warum er Journalist geworden ist. "Schuld sind nur die Mädchen", erinnert er sich. Foto: Ulrike Höck

 

 

Obwohl die anderen Jungs das ziemlich bekloppt fanden, blieb ich dabei, denn den Mädchen schien es richtig zu gefallen. Das war mir im Alter von acht Jahren doch schon verdammt viel wert. Die Mädchen sind also gewissermaßen schuld daran, dass ich nichts anständiges gelernt habe und ich werde ihnen dafür auf ewig dankbar sein.

Leserbrief in der Bild Zeitung

Allerdings wurde es auch nichts mit der großartigen Karriere eines musizierenden Dichters. Stattdessen landete der Junge, der sich zu Erhabenem berufen fühlte, allmählich auf der etwas holprigen Piste des Zeitungsschreibers.

Den Start in diese vielversprechende Laufbahn wollte ich übrigens in der beschaulichen Provinzmetropole Hannover hinlegen und stiefelte im gesetzten Alter von fünfzehn Jahren siegesgewiss in eine dortige Redaktion. Den anwesenden Redakteuren teilte ich mit, dass ich unter dem Pseudonym „August“ über Mord und Totschlag schreiben wolle, um mit den Machtmitteln der Presse dem internationalen Verbrechen den Garaus zu machen.

Unbegreiflicherweise brachen diese Helden der spitzen Feder in ein kollektives Gelächter aus, ließen mir von einer grinsenden Sekretärin eine Packung Kekse überreichen und gaben mir den Tipp, es als Erwachsener vielleicht noch mal zu versuchen. Aber bitteschön nicht unter dem Pseudonym „August“, das erinnere an Gartenlaube und Kaiserpostille. 

Aus Ärger über diese erste grandiose Niederlage fing ich an zu schreiben, was meine olle eiserne Adler verkraften konnte. Ich schickte meine kolossalen Werke an alle möglichen Zeitungen und hörte nie wieder was davon. Ich gründete eine eigene Schülerzeitung, die es nur bis zur Nullnummer brachte, weil die anderen Redakteure danach keine Lust mehr hatten. Manchmal veröffentlichte ein Blättchen der evangelischen Jugend was von mir und schließlich brachte ich es sogar zu einem Leserbrief in der Bild Zeitung – meine Güte war ich gut!

Straßenreporter in Westberlin

Dann kamen die späten sechziger Jahre und für einen begeisterten Schreiber brachen ganz gute Zeiten an – vor allem im damaligen Westberlin. Da gab es  noch jede Menge Tageszeitungen, die heute kein Mensch mehr kennt, einen regelrechten Blätterwald. Dazu die zahllosen kleinen Klitschen der Kultur- und Politszene.

Bei letzteren bekam man zwar selten ein Honorar, aber immer ein Abendbrot und ein Bier, womit einer wie ich damals auch einen Teil seiner Ernährung sicher stellen konnte. Also schreiben um zu essen – doch das war kein Problem, denn es waren geschichtsträchtige Zeiten und die Themen gingen niemals aus.

Aus dem Jungen, der von einer Goethe-Existenz geträumt hatte, war ein Straßenreporter geworden auf den Spuren von Egon Erwin Kisch. So hätte es weiter gehen können, ein Leben lang. Doch dann starben viele der Zeitungen einen schnellen Tod und mir wurde plötzlich bewusst, dass ich weder eine Ausbildung, noch ein Volontariat und noch nicht mal ein Abitur hatte. Nicht so schlimm,  dachte ich, Illja Ehrenburg war ja auch ein Schulabbrecher. Doch gute Freunde schubsten mich auf den Pfad des Lernens.

Also machte ich mein Abitur, studierte Geschichte und VWL und dachte daran, mich im sicheren Hafen der Wissenschaft zu verkriechen. Klappte aber nicht, denn die Schreiberei war offenbar mehr als nur Broterwerb, war längst meine Existenzform, meine Identität, fast mein Traumberuf geworden.

Das einschränkende „fast“ vor dem Traumberuf bezieht sich übrigens nicht auf die Tätigkeit, sondern auf die weniger traumhaften Honorare.

Da ich aber fast immer Freelancer war -  und das mit voller Überzeugung - hatte ich den Traum vom Reichtum ohnehin längst auf dem Schuttabladeplatz der Zeit versenkt. Obwohl es auch annehmbare Honorare gab – zum Beispiel Anfang der Neunziger, als ich ab und zu auch für "Capital" schrieb.

Kein normaler Job

Und heute? Nee, nix mit Aufhören, keinen Bock auf Ruhestand und Rente. Geht doch nicht in diesem Beruf. Journalist zu sein ist kein normaler Job, dessen Ende du herbei sehnst, das ist geradezu eine ganz besondere Lebensform, die Pole Position der Evolution. Diesem Beruf bleibst du treu bis ans Ende deiner Tage. Dieser Beruf hält jung und fit, wie sogar neunzigjährige Heroen unserer glorreichen Zunft beweisen.

Solange du schreibst, lebst du. Legst du den Griffel aus der Hand, kommt der Sensenmann.

Der aber kann ewig auf mich warten, denn es gibt so viele Themen, zu denen ich noch gern meinen Senf beisteuern möchte. Und wer von uns träumt nicht auch davon, mal ein richtiges Buch zu schreiben, nicht nur diese auf hundert Seiten verlängerten Artikel, die dann den Zeitungsschreiber angeblich zum Buchautor machen. Solche sind aus meiner Feder auch schon geflossen und im Erfurter Sutton Verlag erschienen.

Diese aber können natürlich nicht die Erfüllung jener Dichterträume sein, die mich vor mehr als fünfzig Jahren auf den Pfad des Schreibens brachten.

Peter Bachstein

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