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Gedenken an Dieter Hildebrandt zwischen Wolke und Autoreifen

Ist Dieter Hildebrandt auf einer Wolke bei Willy Brandt oder wartet er darauf, als Autoreifen wiedergeboren zu werden? Keine Ahnung. Sicher ist: Er war ein begnadeter Kabarettist, wie das Filmporträt zeigt, das im Gedenken an seinen ersten Todestag im Ersten läuft. Von Cordula Dieckmann.

München (dpa) - Da ist er wieder: kritisch, frech, schlagfertig und dabei unheimlich komisch. Dieter Hildebrandt, wie er leibt und lebt. Fast ein Jahr nach seinem Tod am 20. November zeigt das Erste am Mittwoch (19. November/23.30) um 23.30 Uhr das Filmporträt "Weiterlachen", das am Montag in München vorgestellt wurde.

Es ist eine Fundgrube des trockenen und intelligenten Humors, zeigt es doch die schönsten und komischsten Szenen aus der langen Karriere des Kabarettisten und Schauspielers. Seine Bühnenprogramme über den "Scheibenwischer" und die Kultserie "Kir Royal" bis hin zum Internet-Projekt "stoersender.tv", alles eingebettet in Hildebrandts letzte Lesung im Februar 2013.

Einer der Höhepunkte: "Helmut Kohl liest "Der Mond ist aufgegangen": "Der Mond, meine Damen und Herren, liebe Freunde, und das möchte ich hier in aller Offenheit sagen, ist aufgegangen. Und niemand von Ihnen, liebe Freunde, meine Damen und Herren, wird mich daran hindern, hier in aller Entschlossenheit festzustellen: Die goldnen Sternlein prangen." Oder die Sache mit dem "Dipl.-Zusch.": Vom einfachen Fernsehgucker zum Diplomzuschauer an der Lachfakultät, etwa im gemeinen Studiojubel, im Spontankreischen oder im "Vorratslachen für den Lachsack": "grundlos anfangen, zu lachen, und das zwei Stunden lang".

Einblicke in das Privatleben gibt es nicht, dafür sehr persönliche Erinnerungen von Freunden und Weggefährten wie dem Karikaturisten Dieter Hanitzsch, der Schauspielerin Senta Berger oder dem "Kir Royal"-Regisseur Helmut Dietl. "Dieter war eigentlich ein schüchterner Mensch, aber auf der Bühne war er die Rampensau", sagt etwa seine Witwe Renate Hildebrandt-Küster. Sein Kollege Georg Schramm erzählt von Hildebrandts Theorie der "Entklugung", die im Land um sich greife.

Auch die Stadt München will den prominenten und bisweilen unbequemen früheren Bewohner ehren - mit dem Dieter-Hildebrandt-Preis für Nachwuchskabarettisten, wie Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) am Montag bekannt gab. Die Höhe des Preisgeldes steht noch nicht fest. Sicher ist nur, dass die Auszeichnung jedes Jahr rund um Hildebrandts Geburtstag am 23. Mai verliehen werden soll. Zudem ist ein Buch mit Fotos erschienen: "Dieter Hildebrandt und sein politisches Kabarett bis 1972" von Manuela Schwab, das erzählt, wie aus einem kleinen Bub ein scharfzüngiger, aber auch humorvoller Kritiker des Zeitgeschehens wurde.

Nach der Filmvorführung in München bleibt für Hildebrandts Witwe nur eine Frage: "Wo ist er jetzt?". Die Antwort hatte Hanitzsch schon kurz nach dem Tod des Kabarettisten vor gut einem Jahr in einer Karikatur gegeben: Auf einer Wolke neben dem SPD-Politiker Willy Brandt ("Schön, dass Du da bist, Dieter!"), daneben eine Flasche Rotwein, getarnt als himmlisches "Manna". Auch wenn er kein gläubiger Christ sei, schaue er doch ab und zu nach oben, um sich mit seinem guten Freund zu unterhalten, sagt Hanitzsch. Und vor allem, um sich wie früher Rat und Hilfe zu holen. "Irgendwann ist es da, dann sage ich, danke Dir."

Hildebrandts eigene Gedanken über seine Existenz nach dem Tod waren da sehr viel prosaischer, wie er einmal erklärte: "Ich bin sicher, dass ich irgendwo mit meiner Energie, die bleibt und die dann später nach 10 000 Jahren wieder zur Verwendung kommt, vielleicht als Schrank weiterleben kann oder als Autoreifen, wenn es dann noch Autos gibt. Ich glaube, da gibt es gar keine Autos mehr."

Cordula Dieckmann