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Zwischen Dauerstress und Selbstverleugnung: Wege aus der Erschöpfung

Zwischen Dauerstress und Selbstverleugnung: Wege aus der Erschöpfung Attila Albert

Berufliche und private Probleme verdrängen, lieber in den nächsten Urlaub fliehen oder sich krank melden: Jahrelang kann das gut gehen. Aber einmal holt einen alles ein. Coach Attila Albert über Wege aus persönlichen Mehrfachkrisen.

Berlin – Vor einiger Zeit antwortete mir eine Ressortleiterin auf eine E-Mail, die ich ihr mehr als vier Monate zuvor geschrieben hatte. Sie entschuldigte sich: Ihr beruflicher Alltag sei derart anstrengend und gleichzeitig öde, dass ihr inzwischen die Kraft für fast alles fehle und sie kaum noch das Nötigste schaffe. Zudem sei sie aktuell mit der Wohnungssuche beschäftigt, weil es mit ihrer Beziehung so nicht weitergehe. Daneben kuriere sie eine Erkrankung aus, die wahrscheinlich stressbedingt sei, und müsse sich um einen Elternteil kümmern.

 

Von derartigen Lebenssituationen, in denen gleich mehrere berufliche und private Krisen zusammentreffen, berichten mir inzwischen viele Medienprofis. Dazu kommt für sie noch eine Weltlage, in der – aus ihrer Sicht – „alles zusammenbricht” und es „so nicht mehr weitergehen kann”. Die Rekordzahl an Krankschreibungen wegen Depressionen, Belastungsreaktionen, Angst- und Anpassungsstörungen bestätigt das. Eine Lösung sind sie allerdings selten, da die Ursachen vor allem in der Lebensführung liegen.


Probleme früh erkennen und angehen

Insbesondere geht es um die Kompetenz, Probleme früh zu erkennen, sie als solche einzustufen und entschlossen zu handeln. Beispiele: Einen schwierigen Arbeitsplatz rechtzeitig zu verlassen, eine konfliktbeladene Beziehung zu beenden, sich nur so viel zuzumuten (z. B. auch Nachrichten aus aller Welt), wie man verkraften kann. Nur das verhindert, dass sich die Probleme schleichend verschärfen, schließlich mehrere aufeinandertreffen und so auftürmen, bis sie kaum noch bewältigbar scheinen.


Allerdings gehen viele anders vor. Sie verdrängen ihre Lage manchmal jahrelang und täuschen sich selbst („Das ist nur gerade im Moment so eine Phase‟, „Im Vergleich zu anderen geht es mir nicht schlecht‟), entfliehen ihr zumindest zeitweise durch Urlaube oder Krankmeldungen und beschäftigen sich lieber mit anderen, sei es als Helfer oder Kritiker. Das ist allerdings für sich anstrengend – schließlich spürt man schon, dass man eigentlich handeln müsste. Das Ergebnis: Zu wenig wird angegangen und gelöst.


Auf pragmatische Lösungen konzentrieren

Eine realistische Einschätzung der Lage beginnt mit dem Blick zurück: Seit wann läuft es schon nicht mehr, wie es sollte? Hier gilt es, tröstende Beschönigungen („im Moment‟) hinter sich zu lassen. Wenn ein Problem in Wahrheit seit Jahren besteht, wird es sich wahrscheinlich nicht von allein lösen. Weiteres Durchhalten ist dann unklug, stattdessen braucht es einen Exit-Plan. Beispiel: Bei Dauerkonflikten mit dem Chef oder fehlenden Perspektiven besser sein professionelles Profil schärfen, Außendarstellung und Netzwerk ausbauen und sich ganz auf die Suche nach einem neuen Job konzentrieren.


Verschiedenen Versuchungen gilt es hier zu widerstehen: Sich ewig im Theoretischen aufzuhalten („Ich denke darüber nach‟), doch wieder ins „Prinzip Hoffnung‟ zu verfallen und konkretes Handeln erneut zu verschieben („Ich will doch erst einmal schauen, was sich so ergibt‟). Wer Probleme lösen will, muss Führung in eigener Sache lernen. Das heißt, Verantwortung für sich zu übernehmen, eine Lösungsstrategie zu formulieren (bei Bedarf mit professioneller Hilfe), einen Plan daraus abzuleiten, Entscheidungen zu treffen und das Praktische zu erledigen.


Mehr Zeit für sich und die eigenen Angelegenheiten

Dabei kommt man auch um ein wenig Selbstreflektion nicht herum: Wie konnte es passieren, dass man in diese Lage geraten ist; wieso hat man nicht früher und entschlossener gehandelt? Niemand muss sich dabei ewig mit Reue und Selbstvorwürfen aufhalten, die Vergangenheit ist sowieso vorbei. Aber man kann klüger und stärker daraus hervorgehen und nicht wieder die gleichen Fehler machen.

 

Insbesondere, wenn man nicht mehr ganz jung ist, sind die verbleibenden Lebensjahre umso wertvoller.
Dieser Prozess braucht Zeit und Kraft, man muss sich zumindest zeitweise stärker mit sich und seinen Angelegenheiten beschäftigen, vielleicht selbst helfen lassen, und kann sich weniger um andere kümmern. Hier braucht es die Fähigkeit, sich von anderen abgrenzen zu können, sei es vom täglichen Nachrichtenstrom, im Team oder auch daheim (ausführlich dazu in meinem Ratgeber „Ich mach da nicht mehr mit”). So wird aus der schwierigen Lebenslage kein Dauerzustand, sondern ihr Ende auch wieder absehbar.

 

Zur vergangenen Kolumne: Beruflich weiterkommen

 

Zum Autor: Attila Albert (geb. 1972) begleitet Medienprofis bei beruflichen Veränderungen. Er hat mehr als 25 Jahre journalistisch gearbeitet, u.a. bei der Freien Presse, bei Axel Springer und Ringier. Begleitend studierte er BWL, Webentwicklung und absolvierte eine Coaching-Ausbildung in den USA.

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