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So kann Teilzeitarbeit gelingen: Doch was, wenn der Chef dagegen ist?

So kann Teilzeitarbeit gelingen: Doch was, wenn der Chef dagegen ist? Attila Albert

Immer mehr Medienprofis machen keine Überstunden mehr, sondern reduzieren ihre Arbeitszeit sogar – häufig aus privaten Gründen, manchmal aber auch für eine nebenberufliche Selbstständigkeit. Karrierecoach Attila Albert über die häufigsten Fragen rund um Teilzeit und wie sie gelingt.

Berlin – Zu den bedeutsamen Veränderungen in der Arbeitskultur gehört, dass Medienprofis heute kaum noch Überstunden machen. Sie reduzieren ihre Arbeitszeit oft sogar, interessieren sich jedoch für Nebenjobs. Das deckt sich mit dem allgemeinen Trend und hat viele Gründe: Weniger empfundene Loyalität und Einsatzbereitschaft beim aktuellen Arbeitgeber, weil man meint, dass es einem sowieso nicht gedankt würde – dazu Wünsche nach mehr Selbstbestimmung und einem Zusatzverdienst. Der Wechsel in Teilzeit ist ein praktikabler Weg für Angestellte, das ohne größere Risiken und zeitnah umzusetzen.

 

Wer in Teilzeit wechseln will, hat dafür meist eines von drei Motiven: Er will seine Arbeitszeit reduzieren, weil er sich beruflich überlastet fühlt und mehr Erholung braucht; er benötigt mehr Zeit für die Familie (z. B. kleine Kinder, kranker Partner oder Elternteil) – oder will sich verstärkt eigenen Projekten (z. B. Weiterbildung, nebenberufliche Selbstständigkeit) widmen. 50 Prozent der Frauen und 13 Prozent der Männer in Deutschland arbeiten inzwischen in Teilzeit, beide Werte sind stetig gestiegen. Dabei haben angestellte Medienprofis, die auf Teilzeit wechseln wollen, wiederkehrende Fragen, um die es diesmal gehen soll.

 

Wie erfahre ich, ob mir Teilzeit zusteht?
Wer länger als ein halbes Jahr angestellt ist, hat gesetzlich ein Recht auf Teilzeit. Das stellt das Teilzeit- und Befristungsgesetz (Paragraph 8) fest. Der Wunsch nach Teilzeit muss nur spätestens drei Monate vor dem Starttermin schriftlich dem Arbeitgeber mitgeteilt werden. Dabei müssen Sie vermerken, wie Sie zukünftig arbeiten wollen (z. B. nur noch 80 Prozent, und der arbeitsfreie Tag soll der Freitag sein). Grundsätzlich muss der Arbeitgeber dem Wunsch nach Teilzeit zustimmen. Die Umsetzung wird gemeinsam ausgehandelt.

 

Was, wenn mein Chef dagegen ist?
Das ist kaum möglich. Der Gesetzgeber hat Ihnen das Recht auf Teilzeit eingeräumt. Ihr Arbeitgeber müsste stichhaltig belegen, dass die Umsetzung unmöglich wäre, was nur in seltenen Fällen denkbar ist. Gelegentlich glauben redaktionelle Vorgesetzte, die sich wenig mit dem Arbeitsrecht auskennen, dass es an ihnen läge, einen Teilzeitwunsch zu gestatten oder auch nicht. Dem ist nicht so. Melden Sie Ihren Teilzeitwunsch bei der Personalleitung an, wo man die Rechtslage kennt, und informieren Sie Ihren Vorgesetzten nur vorab.

 

Muss ich meine Teilzeit begründen?
Sie müssen nicht erklären, warum Sie Ihre Arbeitszeit reduzieren wollen. Aber es hilft der weiteren gemeinsamen Zusammenarbeit, wenn Sie einen plausiblen Grund nennen, ohne ihn im Detail auszuführen. Besonders häufig – und damit akzeptiert – sind die Unterstützung von Angehörigen oder eine Weiterbildung. Heikel ist dagegen, wenn Sie zukünftig nebenbei selbstständig oder gar für ein anderes Unternehmen arbeiten wollen. Dann fürchten Arbeitgeber einen Kontrollverlust, zudem Konkurrenz und Interessenkonflikte.

 

Kann ich mir Teilzeit finanziell leisten?
Wer weniger arbeitet, verdient natürlich weniger. Ein Arbeitstag weniger entspricht 20 Prozent weniger Bruttogehalt. Allerdings sinken damit auch Lohnsteuer, Sozialabgaben und Krankenkassenbeitrag, sodass Sie netto eventuell nur 10-15 Prozent einbüßen. Rechnen Sie also den realen Gehaltsverlust aus. Häufig ist er gut verkraftbar. Wer sich an seinem „freien Tag‟ eine Selbstständigkeit aufbauen will, hat sowieso das Ziel, diese finanzielle Einbuße bald wieder auszugleichen – oder in der Summe sogar mehr zu verdienen.

 

Wie gehe ich strategisch klug vor?
Die wenigsten Vorgesetzten sind begeistert, wenn Mitglieder ihres Teams die Arbeitszeit reduzieren. Denn damit kann weniger erledigt werden oder andere Kollegen müssen mehr leisten, da vom Unternehmen häufig kein Ersatz genehmigt wird (z. B. zusätzlicher Mitarbeiter mit Teilzeit, Zeitarbeiter). Am besten betonen Sie, dass Ihre Teilzeit nur eine Phase für ein bestimmtes Projekt darstellt und Sie perspektivisch gerne wieder auf Vollzeit wechseln wollen. Vermitteln Sie zudem, dass Sie selbstverständlich weiterhin dem Unternehmen treu verbunden und engagiert bleiben. Das glättet die Wogen.

 

Was ist der größte Teilzeit-Fehler?
Angestellte, die die Rechtslage nicht genau kennen, sind ihrem Chef häufig dankbar dafür, dass er ihnen Teilzeit „erlaubt‟. Verbunden mit dem Schuldgefühl, ihn „zu enttäuschen‟ und das Team während ihrer Abwesenheit „im Stich zu lassen‟, versprechen sie dann, dass sich an ihrer Verfügbarkeit und Arbeitsleistung nichts ändern werde. Das führt dazu, dass sie vertraglich in Teilzeit gehen und entsprechend weniger verdienen, aber faktisch weiterhin in Vollzeit arbeiten. Dabei muss für alle klar sein: Wer in Teilzeit geht, arbeitet weniger – und es ist Aufgabe des Arbeitgebers, bei Bedarf für zusätzliche Unterstützung zu sorgen.

 

Schadet Teilzeit meiner Karriere?
Grundsätzlich ist eine Teilzeitregelung heute sogar für Führungskräfte akzeptiert. Ist sie zudem auf wenige Jahre befristet und mit einem berufsnahen Projekt (z. B. eigenes Buch, Auslandsaufenthalt, Promotion) oder mit einer Weiterbildung verbunden, kann sie die Karriere sogar fördern. Entsteht dagegen der Eindruck, dass Sie sich schrittweise aus dem Unternehmen lösen oder den Fokus auf Ihr Privatleben legen wollen, wird man Sie kaum noch für Beförderungen berücksichtigen oder sogar versuchen, Sie zurückzustufen.

 

Wie organisiere ich meine Teilzeit?
Besonders beliebt ist es, den „freien Tag‟ auf den Freitag zu legen. Das führt jedoch oft zu Konflikten im Team, wenn das mehrere gleichzeitig wollen. Zudem wird der Freitag bald vor allem für private Erledigungen (Einkauf, Friseur, Arztbesuch), Freizeitaktivitäten oder als Teil eines langen Wochenendes genutzt. Wer sich nebenbei eine Selbstständigkeit aufbauen will, ist mit Donnerstag oder Mittwoch besser bedient: An klassischen Werktagen kann man besser potentielle Kunden besuchen und erste Aufträge umsetzen.

 

Wie organisiere ich meine Arbeit?
Selbst Führungspositionen werden heute oft auf zwei Teilzeitstellen aufgeteilt, was unterschiedlich gut funktioniert. In jedem Fall braucht es mehr Kommunikation und Dokumentation (Aufgaben, Termine, Vereinbarungen). Daneben müssen Vorgesetzte und Teamkollegen wissen, wann Sie erreichbar sind und arbeiten – und wann nicht. Am besten geht das mit halb- oder ganztägigen Abwesenheiten an festen Tagen. Stundenweise früher gehen, häufige Wechsel und pauschale, unrealistische Versprechen („Ich bin bei Bedarf immer erreichbar‟) erschweren Ihnen und anderen die Arbeitsorganisation.

 

Wie setze ich der Familie Grenzen?
Häufig reagieren Familienangehörige und Freunde erfreut auf die Teilzeitregelung, weil sie sich mehr gemeinsame Aktivitäten und Hilfe erhoffen: „Du hast ja jetzt Zeit!‟ Schon ist man ständig von anderen verplant: Morgens die Mutter zum Arzt begleiten, mittags eine Freundin beim Umzug unterstützen, nachmittags dem Sohn bei den Hausaufgaben helfen. Wenn Sie das nicht wollen, weil Sie vorhaben, den Tag für die Stellensuche oder einen Nebenjob zu nutzen, behandeln Sie Ihren arbeitsfreien Tag wie einen regulären Arbeitstag: Privates im Normalfall erst nach 17 Uhr. Setzen Sie den Wünschen anderer dafür klare Grenzen.

 

Was tun, wenn ich nicht motiviert bin?
Wer bisher gewöhnt war, den Anweisungen und Abläufen seines Arbeitgebers zu folgen, tut sich mit der Selbstorganisation oft schwer. Der freie Tag wird dann nicht produktiv genutzt, sondern vertrödelt; man verzettelt sich mit seinen Aktivitäten. Hier hilft eine gedankliche Selbstdistanzierung: Denken Sie sich, dass Sie nun ein eigenes Unternehmen haben, für das Sie an dem Tag arbeiten, und das Sie braucht. Erstellen Sie sich einen Terminplan (zumindest für 9 bis 14 Uhr) und Aufgabenlisten, wie Sie es im Hauptjob auch machen.

 

Zur vergangenen Kolumne: Wie sehen andere, dass ich mehr kann?

 

Zum Autor: Attila Albert (geb. 1972) begleitet Medienprofis bei beruflichen Veränderungen. Er hat mehr als 25 Jahre journalistisch gearbeitet, u.a. bei der Freien Presse, bei Axel Springer und Ringier. Begleitend studierte er BWL, Webentwicklung und absolvierte eine Coaching-Ausbildung in den USA.

www.media-dynamics.org 

 

 

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