Jobs
Newsroom

Kompletter Berufswechsel: Wie realistisch ist das für Medienprofis?

Kompletter Berufswechsel: Wie realistisch ist das für Medienprofis? Attila Albert

Fast jeder hat schon einmal darüber nachgedacht, wie es wohl wäre, die Branche zu wechseln. Zwar können sich das viele „vorstellen‟ und haben eine erste Idee. Doch nur die wenigsten setzen sie auch um. Karrierecoach Attila Albert über typische Hindernisse und mögliche Auswege.

Berlin – Was könnte ich beruflich eigentlich noch machen? Es gibt wohl kaum jemanden, der sich diese Frage nicht schon einmal gestellt hat. Manche würden antworten: „Ich kann mir nichts Besseres vorstellen, auch wenn in meinem Job nicht alles perfekt ist.‟ Andere würden vielleicht nur ein entscheidendes Detail ändern, beispielsweise das Themengebiet wechseln oder vom Journalismus auf Verlagsseite oder in die PR gehen („Seitenwechsel‟). Aber es gibt auch Medienprofis, die dabei an einen kompletten Berufswechsel denken.

 

In meiner Coaching-Praxis hatte ich schon Medienprofis, die sich vorgestellt haben, eine Kunstakademie, eine Schreinerei, einen Friseursalon oder ein Restaurant zu eröffnen. Einige sahen sich als zukünftige Ärzte oder Lehrer, andere als Schriftsteller, Fotografen oder Berater; auch mehrere Kinderbetreuer bzw. Erzieher, ein Gartenblogger und ein YouTuber waren dabei. Die allermeisten beließen es bei dem Gedankenspiel und blieben am Ende doch in der Medienbranche. Einige haben es dagegen erfolgreich gewagt.

 

Überlegen, was einem neue Perspektive geben würde

Grundsätzlich ist es empfehlenswert, sich gelegentlich nach beruflichen Perspektiven umzusehen, die ganz anders als der bisherige Weg sind. Das öffnet den Blick und regt einen dazu an, die persönlichen Werte zu überdenken: Beschäftige ich mich an meinen Arbeitstagen mit etwas, das ich als sinnvoll empfinde und das mich zufrieden macht? Da jeder seine eigenen Prioritäten hat, fallen die Antworten höchst unterschiedlich aus. Ebenso – je nach Lebenslage und Temperament – die anschließenden Entscheidungen.

 

In Umfragen wird häufig danach gefragt, ob sich jemand einen Berufswechsel „vorstellen‟ könne, was viele bejahen (hier z. B. 38 Prozent). Dabei bleibt es dann aber fast immer, weil sich die Umsetzung recht schnell als anspruchsvoll und langwierig herausstellt. So sind häufig bestimmte Qualifikationen nachzuholen und Arbeitgeber zu überzeugen, die trotz des angeblichen Fachkräftemangels skeptisch auf Quereinsteiger blicken. Aber der Berufs- oder Branchenwechsel ist durchaus möglich, wenn man es gezielt angeht.


Möglichen neuen Beruf und Branche präzisieren

Ein wichtiger Schritt dazu ist, die anfangs unklaren Ideen zu ordnen und zu präzisieren. Nur so lässt sich abschätzen, was es für eine Umsetzung bräuchte und wie realistisch sie wäre. „Etwas mit Menschen, vielleicht auf sozialem Gebiet oder auch Psychologie‟, kann ein Anfang sein. Mithilfe eines Berufsberaters, Karrierecoaches oder Mentors sollte man aber bald darüber hinauskommen, gemeinsam eine konkrete Zielbranche und Berufsbezeichnung erarbeiten. Im Beispiel: Erzieher, Heilpraktiker, psychologischer Berater oder Therapeut.

 

Lebenslanges Lernen ist heute zwar eine Realität, aber es muss spätestens ab Mitte 30 gut abgewogen werden, ob sich eine mehrjährige neue Ausbildung (z. B. Studium) noch wirklich lohnt und machbar ist. Beispiel: Ein Redakteur Ende 30 interessierte sich schon immer für medizinische Themen und überlegt nun, ob er jetzt noch Medizin studieren und Arzt werden sollte. Bei einem sechsjährigen Studium wäre er, wenn er zugelassen würde, fast Mitte 40 und in diesem Feld ein kompletter Berufseinsteiger. Zudem müsste seine Partnerin jahrelang finanziell mehr beisteuern, also den Plan unterstützen.


Kompromisse führen oft auch zum Ziel

Häufig findet sich ein Kompromiss, der in die gewünschte Richtung führt, aber das Ziel realistischer setzt. So hatte ich einmal eine Klientin aus der Verlagsbranche, die Hebamme werden wollte. Die Ausbildung war zu langwierig, und sie hätte wahrscheinlich gar keinen Platz gefunden. Aber sie wurde nach einer Weiterbildung private Tagesmutter („Nanny‟), was ihren Wunsch erfüllte, mit Kindern zu arbeiten. Auch solch ein Ziel erfordert Entschlusskraft und Disziplin, lohnt sich aber, wenn man noch Jahrzehnte arbeiten muss.

 

Unsichere Zeiten – etwa die aktuelle mehrjährige Rezession mit steigender Arbeitslosigkeit – verleiten viele dazu, aus Angst keine Veränderung zu wagen. Das kann sich mittelfristig rächen, wenn man nämlich jahrelang nichts für seine berufliche Zukunft getan hat und dann wegen einer Umstrukturierung seine Stelle verliert. Da ist es besser, mögliche Alternativen zu erkunden, für sich zu prüfen, entweder bewusst zu verwerfen oder endlich anzugehen. So muss man sich später nie vorwerfen, es nicht wenigstens probiert zu haben.

 

Manche kehren nach einigen Jahren wieder in die Medienbranche zurück, auch da sind mir Beispiele bekannt. Manchmal stellte sich der neue Beruf als Enttäuschung heraus, für andere war der vorherige Beruf doch der passende. Das ist jedoch kein Scheitern, sondern eine Erkenntnis nach einer Phase, die nicht vergeblich war, sondern einen in jedem Fall persönlich bereichert und weitergebracht hat.

 

Zur vergangenen Kolumne: Nebenberufliche Möglichkeiten

 

Zum Autor: Attila Albert (geb. 1972) begleitet Medienprofis bei beruflichen Veränderungen. Er hat mehr als 25 Jahre journalistisch gearbeitet, u.a. bei der Freien Presse, bei Axel Springer und Ringier. Begleitend studierte er BWL, Webentwicklung und absolvierte eine Coaching-Ausbildung in den USA.

www.media-dynamics.org